Innere Werte
Kopf darüber. Da gibt es schon noch Möglichkeiten. Lass das mal meine Sorge sein.«
34
Martin blätterte durch einen der Ordner von Anja Schulte. Es war einfach, sich einen Überblick über ihre finanzielle Lage zu verschaffen, denn sie hatte alles fein säuberlich und übersichtlich abgeheftet. Verschiedene Konten und Anlagenpapiere ließen auf ein Vermögen von rund fünfhunderttausend Euro schließen, das Haus und den Schmuck nicht eingerechnet.
Als Martin mit seinem Team zusammensaß, berichtete er darüber.
»Das Geld hat sie in einem Zeitraum von neun Jahren zur Seite gelegt. Eine enorme Summe, wenn man bedenkt, dass sie ein Jahreseinkommen von zirka siebzigtausend Euro hatte. Bei ihrer Steuerklasse sind das rund vierzigtausend netto. Nach Abzug ihrer jährlichen Ausgaben von dreißigtausend, bleiben gerade mal zehntausend im Jahr übrig.«
»Das heißt«, überlegte Dieter laut, »da sie seit zehn Jahren bei der Bank gearbeitet hat, kann sie bis heute maximal hunderttausend Euro gespart haben. Wenn ich Haus, Schmuck und Möbel mal grob überschlage und auf ihr Barvermögen draufrechne …«, er schrieb die Zahlen auf einen Zettel, »… hat sie nach Adam Riese ein Vermögen von einer Million angespart. Das heißt, sie hat zusätzliche Einnahmen von hunderttausend Euro im Jahr gehabt.«
»Und wo kommen die her?« Martin blickte fragend in die Runde. »Hat jemand irgendeinen Hinweis darauf in den Unterlagen gefunden?«
Paul und Michael schüttelten den Kopf.
»Da war nichts.« Dieter schlug einen Hefter auf. »Keine Erbschaft oder sonstwas.« Er zog ein DIN-A4-Blatt heraus und reichte es Martin. »Das Einzige, was ich gefunden habe und womit ich bis jetzt nichts anfangen konnte, ist ein Verzeichnis mit dreißig Nachnamen unter der Überschrift LS. Ich habe sie mit den Namen in ihrem Adressbuch verglichen, aber da taucht keiner auf.«
Martin besah sich die Liste. »Am besten, wir fragen Tobias dazu. Vielleicht weiß er, wer die Leute sind. Was die Kohle angeht, gab es immer wieder Bareinzahlungen von ihr selbst auf eines ihrer Konten. Nicht ganz regelmäßig, aber doch in gewissen Abständen. Man kann sagen, im Durchschnitt die eben erwähnten hunderttausend im Jahr.«
»Und das seit zehn Jahren?«, fragte Paul.
»Etwa seit neun Jahren.«
»Wow, den Geldscheißer würde ich gerne kennenlernen.«
»Da wundert’s mich aber, dass sie so einen popeligen Toyota gefahren hat. Das passt doch gar nicht. Danach müssen wir ihren Sohnemann auch mal fragen«, sagte Michael, als es an der Tür klopfte. Der Mann, der jetzt den Raum betrat, war ungefähr dreißig Jahre alt und hatte braunes, lockiges Haar. Es war Georg Hartwig, ein Kollege vom LKA. Er war EDV-Spezialist vom Dezernat 43.
»Ah, Hartwig«, empfing ihn Martin. »Kommen Sie rein. Haben Sie den PC schon auseinandergenommen?«
»Hab ich!« Damit legte er einen Ordner vor Martin auf den Tisch.
»Dann lassen Sie mal hören.«
Hartwig setzte sich und begann zu erzählen. »Ihr Opfer hat jede Menge Mails erhalten und bearbeitet. Scheinen teils geschäftlicher, teils privater Natur zu sein. In dem Ordner habe ich eine Liste für Sie, wer wann mit ihr in Kontakt war. Ausgedruckt habe ich zunächst nur die Mails der letzten vier Wochen. Bankaktivitäten sind dort auch aufgelistet. Allerdings hat sie nur ein Konto über Online-Banking geführt. Auf dem Girokonto findet man regelmäßige Zahlungen ihres Arbeitgebers, sonst ist auf ihrem PC nichts Ungewöhnliches. Außer vielleicht, dass sie weder in Facebook noch in Wer-kennt-wen zu finden war.«
Martin lächelte und schenkte sich einen Kaffee aus seiner Thermoskanne ein. »In der heutigen Zeit ist das wohl tatsächlich ungewöhnlich. Aber vergessen Sie nicht, die Frau war dreiundvierzig. In dem Alter hat man unter Umständen noch eine etwas andere Vorstellung von sozialen Kontakten. Da telefoniert man lieber oder trifft sich mit seinen Bekannten.«
»Wie rückständig«, frotzelte Michael grinsend.
»Ich kenne kaum noch einen, der nicht in den Chaträumen verkehrt«, sagte Hartwig. »Das ist eigentlich nicht mehr eine Frage des Alters.«
»Aber die Älteren sind sich der Gefahren vielleicht etwas bewusster«, gab Martin zu bedenken.
»Ich persönlich halte diese Gefahren nicht für allzu groß, wenn man mit normalem Menschenverstand an die Sache geht. Man kann immer noch selbst bestimmen, was man von sich preisgibt. Der Vorteil ist, dass Kontaktaufnahmen leichter sind. Die Hemmschwelle ist
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