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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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Entwertung ihrer selbst gern in Kauf.
    Sie war eine kleine, rundliche Frau Mitte fünfzig mit dichtem, grauem Haar, kleinen Augen, und einer breiten Nase. Ihre runden Backen und ein leichtes Doppelkinn ließen sie gemütlich wirken. Sie war stets gut gekleidet, wie Steffen es von ihr erwartete, obwohl es sie immer wieder einen ordentlichen Teil ihres Monatsgehaltes kostete. Schuhe mit hohen Absätzen, gepaart mit Bluse und Kostüm, waren Pflicht, wenngleich sie sich mit den Schuhen immer noch nicht anfreunden konnte. Sie waren die reinste Quälerei und immer wenn Dr. Wellner nicht im Büro war, zog sie sie unter dem Schreibtisch aus. Allerdings nicht, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Als er eben so unerwartet aufgetaucht war, war sie rot angelaufen und schnell wieder in die Pumps geschlüpft.
     
    Steffen öffnete den Posteingang von Microsoft Outlook und durchsuchte seine E-Mails. Er löschte alles, was er nicht mehr brauchte. Zur Sicherheit leerte er anschließend auch den Ordner »Gelöschte Objekte«. So bereinigte er nicht nur sein Problem, sondern auch seine Festplatte. Zufrieden lehnte er sich in seinem breiten Ledersessel zurück, schloss die Augen für einen Moment und bereitete sich auf sein Gespräch vor.

36
     
    Michael steuerte den Wagen durch die Mainzer Straßen.
    »Nicht gerade ein Viertel, wo man gerne wohnen möchte«, bemerkte er, als er vor einem Haus auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring parkte.
    »Bin gespannt, ob der Typ in diese Wohngegend passt.«
    »In dem Fall würde er nicht zu Anja Schulte passen.«
    »Abwarten!«
    Sie gingen auf einen heruntergekommenen Wohnblock zu. Dass die Fassade irgendwann einmal weiß gewesen war, konnte man nur erahnen. Jetzt war sie dreckig grau und an vielen Stellen bröckelte der Putz. Müllsäcke lagen haufenweise neben dem Eingang. Einige Männer standen in einer Gruppe zusammen und beobachteten die Beamten mit unverhohlener Neugier.
    Martin drückte auf den Klingelknopf mit dem Namen Gleisinger. Im zweiten Stock wurde ein Fenster aufgerissen und ein Kopf erschien im Rahmen.
    Ein unfreundliches »Was ist?« flog ihnen entgegen.
    »Wir möchten zu Herrn Gleisinger«, sagte Martin.
    »Warum?«
    »Das würde ich ihm gerne sagen, ohne dass die ganze Nachbarschaft zuhört.«
    »Ich hab nicht viel Zeit.«
    »Wir brauchen nicht lange.«
    »Dann kommen Sie halt rauf.«
    Das Fenster wurde zugeworfen und der Summer ertönte. An der Wohnungstür wurden sie von einem großen Mann mit kleinem Bierbauch empfangen. Finster blickte er die Männer an.
    »Ich habe wirklich keine Zeit. Ich bin auf dem Sprung.« Er fummelte an seiner Krawatte herum und versuchte, sie zu binden.
    »Wir sind von der Kripo Wiesbaden und haben ein paar Fragen an Sie.«
    Martin bemerkte, dass Gleisinger beim Wort Kripo zusammenzuckte und den Blick abwandte. Kurz zögerte er, dann trat er zur Seite.
    »Wenn’s sein muss«, sagte er mürrisch und ließ die Polizisten eintreten. Er führte sie in ein winziges Wohnzimmer, in dem ein unglaubliches Durcheinander herrschte.
    »Setzen Sie sich«, bot er an. »Das heißt, wenn Sie einen freien Platz finden«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu und begann, Kleidungsstücke, Zeitungen und sonstigen Krimskrams von den Sesseln zu räumen.
    »Machen Sie sich keine Mühe. Wir stehen gerne.«
    »Geht schon, geht schon«, sagte Gleisinger, eifrig um freie Sitzplätze bemüht. »Bitteschön!« Er wies auf zwei altmodische Sessel, die zum Vorschein gekommen waren. Martin und Michael setzten sich, während sie den Hausherrn dabei beobachteten, wie er sich einen Platz auf dem Sofa freischaufelte. Er trug einen schwarzen Anzug von der Stange, dazu ein weißes Hemd und eine rote Krawatte baumelte lose um seinen Hals. Die hohe Stirn wurde von fransigen, dunklen Haaren verdeckt. Darunter saßen buschige Augenbrauen und eine breite Nase. Durch seine auffallende Blässe und die dunklen Ringe unter den Augen machte er einen kränklichen Eindruck. Endlich setzte er sich.
    »Herr Gleisinger«, begann Martin. »Kennen Sie eine Anja Schulte?«
    Udo griff sich in den Nacken und senkte für einen Augenblick die Augen.
    »Ja, die kenne ich.« Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, das zu leugnen.
    »Sie ist am Sonntagmorgen tot aufgefunden worden.«
    Udo riss die Augen auf. »Was?«
    »Ja, sie ist tot.«
    »Das kann nicht sein.« Er presste die Lippen zusammen und fast konnte man seine Gedanken rattern hören. »Das darf nicht sein!«
    »Wann haben Sie sie zuletzt

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