Innere Werte
lautet das andere Zitat?«
»Der Mensch muss das Gute und Große wollen. Das Übrige hängt vom Schicksal ab.«
»Sehr passend für Ihren Berufszweig. Würden Sie uns bitte einen Blick auf Ihre E-Mails werfen lassen?«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Da sind vertrauliche Dinge dabei. Zum Schutz meiner Patienten kann ich das nicht erlauben.«
»Sie werden es erlauben müssen. Aber wir können auch gerne nochmal mit einem richterlichen Beschluss wiederkommen.«
»Dann komme ich ja sowieso nicht drumherum. Also bitte.« Steffen Wellner seufzte theatralisch, öffnete das Programm und räumte den Platz. Auf Martins Zeichen setzte Paul sich an den PC und sah die Nachrichten durch, während Martin den Arzt weiter befragte.
»Inzwischen können Sie mir sagen, ob Sie Peter Bielmann kennen?«
»Soll das ein Patient sein?«
»Möglicherweise.«
Wellner richtete den Blick nachdenklich zur Decke. Martin stöhnte in Gedanken auf.
»Haben Sie Ihre Patientenkartei oben an der Decke hängen?«, fragte er ungeduldig.
Sofort blickte Wellner den Kommissar feindselig an. »Ich kenne keinen Bielmann.«
»Hier ist ein Foto von ihm, vielleicht hilft das.«
»Nein, tut es nicht«, wies Wellner das Bild nach einem kurzen Blick zurück. »Dieser Mensch ist mir völlig fremd. Aber ich kann meine Sekretärin bitten, in der Kartei nachzusehen.«
»Tun Sie das.«
Wellner drückte die Sprechanlage und bat Frau Christ um die Auskunft.
»Außerdem hätte ich gerne gewusst, wo Sie am Freitag, dem zehnten Dezember zwischen elf und fünfzehn Uhr waren sowie Samstagmorgen um drei Uhr dreißig.«
»Samstagmorgen war ich zu Hause, im Bett«, kam die prompte Antwort.
»Und das kann ebenfalls Ihre Frau bestätigen?«
»Natürlich!«
»Was ist mit Freitagmittag?«
»Da war ich in der Klinik und habe gearbeitet, mit einer kurzen Pause in der Kantine.«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis. Immerhin ist das schon zwölf Tage her.«
»In meinem Beruf braucht man das.«
Martin fiel auf, dass Wellner gar nicht wissen wollte, warum er ihn danach fragte. Dafür gab es nur einen Grund: Er wusste über Bielmann Bescheid. Theoretisch konnte es auch einfach nur Desinteresse sein. Aber so gleichgültig war kein Mensch.
Wellner wandte sich an Paul. »Sind Sie bald fertig?«
»Ja, bin ich. War ja sehr übersichtlich.«
»Was gefunden?«
»Nichts, was für uns von Interesse wäre«, sagte Paul so belanglos wie möglich.
»Gut. Dann ist die Sache für mich erledigt und ich kann wieder an die Arbeit gehen?«
»Können Sie!«, erklärte Martin. »Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.«
Schlagartig wechselte Wellner Ton und Gesichtsausdruck. »Frau Christ wird Ihnen draußen sagen, ob Herr Bielmann hier schon mal Patient war. Tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte mitleidig.
»Kein Problem. In solchen Fällen helfen wir uns selbst.«
Ohne ein weiteres Wort verließen die Beamten den Raum.
»Stümper!«, murmelte Steffen zufrieden vor sich hin, als sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatten.
Frau Christ bestätigte, dass Peter Bielmann nicht Patient gewesen war und auch, dass ihr Chef am zehnten Dezember in der Klinik und wie jeden Freitag um zwölf Uhr in der Kantine gegessen hatte. Sie selbst war gegen dreizehn Uhr gegangen. Anja Schulte kannte sie nur als Angehörige eines Patienten, die lange nicht da gewesen war.
Bevor Martin sich verabschiedete, fragte er: »Kommen Sie gut mit Ihrem Chef klar?«
»Ja, ausgezeichnet.« In ihren Augen spiegelte sich unverhohlene Bewunderung wider.
»Dann ist er nur Polizeibeamten gegenüber so arrogant?«
Magdalena Christ sah die Männer unsicher an.
»Schon gut«, lächelte Martin versöhnlich. »Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Auf Wiedersehen.«
Paul und Martin gingen auf direktem Weg in die Kantine, wo sie sich Wellners Angaben zum zehnten Dezember bestätigen ließen. Bei der anschließenden Befragung einiger Mitarbeiter konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob Wellner nach dem Essen in der Klinik geblieben war. Sicher war nur, dass er um fünfzehn Uhr eine OP gehabt hatte. Somit war sein Alibi für den Zeitraum zwischen zwölf Uhr dreißig und fünfzehn Uhr nicht wasserdicht.
Die beiden traten auf die Straße vor das viergeschossige Klinikgebäude, das etwa so lang war wie ein halbes Fußballfeld. Davor waren etliche Büsche und Bäume gepflanzt. Martin drehte sich noch einmal um und
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