Innerste Sphaere
Stadt gehören – du wärst eine Selbstmörderin. Kann aber auch sein, dass du aufs Land kommst. Oder anderswohin. Das kann man nicht wissen.«
Ich will nirgendwohin. Ich will bei dir bleiben.
Der Gedanke war so stark, dass ich verblüfft auffuhr.
»Was ist los?« Anscheinend glaubte er, er hätte schon wieder eine Grenze überschritten, und ließ mich los.
»Nicht.« Ich zog seine Arme wieder um mich. In seinen Augen lagen so viele Fragen, auf die ich keine Antwort hatte. Also stellte ich eine von meinen Fragen. »Wirst du mich zwingen, die Stadt zu verlassen?«
Er schüttelte entschieden den Kopf. »Ich werde dich niemals zu irgendetwas zwingen. Das verspreche ich. Diesen Fehler begehe ich nicht noch einmal. Aber abgesehen davon werde ich alles tun, was ich kann, um dich gefahrlos rauszubringen. Alles, was nötig ist.«
»Ana meint, dass du deine anderen Pflichten vernachlässigst.«
Seine Miene wurde hart. »Ana und ich arbeiten sehr gut zusammen und ich habe größte Hochachtung vor ihr, aber wir sind nicht immer einer Meinung.«
»Mir ist nicht wohl dabei, wenn ich dich von dem abhalte, was du tun solltest.«
Er streichelte meine Wange. »Mach dir keine Sorgen. Das ist es, was ich tun sollte.«
Ich bebte bei der Berührung und lachte. »Das ist es also, was du tun solltest? Gerade jetzt?«
Unsicher zog er seine Hand zurück, aber dann sah er meine lachenden Augen. »Ja. Und vielleicht auch noch das.« Er ließ seinen Finger von meiner Schläfe über den Hals bis zur Schulter gleiten. Als ich wieder bebte, lächelte er und sein Blick wanderte zu meinem Mund.
Zum Teufel mit der Selbstbeherrschung. Ich wollte ihn küssen. Wollte in ihm ertrinken, alles vergessen und nie wieder auftauchen.
Malachi schaute mir in die Augen, erriet, was ich dachte. Seine Lippen waren jetzt ganz nah an meinen. »Und das au–«
Da wurde die Wohnungstür aufgerissen und wir sprangen beide auf. Malachi griff sofort nach einer Waffe. Erschrocken duckte ich mich. Aber wir konnten uns nicht entspannen, als wir sahen, dass es Ana war, denn sie blaffte uns sofort an.
»Malachi, du wirst es nicht glauben. Ich bin verdammt sicher, dass ich das Mazikin-Nest gefunden hab, es ist nur sechs Blocks nach Nordwesten.«
Malachi steckte seinen Krummsäbel wieder in die Scheide zurück. »Woher weißt du das so genau?«
Ana legte den Kopf schief. »Mann, ich bin auch nicht ganz neu hier. Wie viele von den Dingern haben wir schon ausgeräumt? Das Gebäude sieht verlassen aus, aber im Keller tut sich was. Ich habe mich in einem
Müllcontainer
versteckt«, sagte sie und sah Malachi streng an. »Michael wird mir eine neue Rüstung machen müssen, den Gestank kriegt man nämlich nie wieder raus. Und du wirst mich bei dem Anliegen unterstützen. Jedenfalls hab ich das Gebäude beobachtet. Das war’s, Baby. Ich sah eine ganze Gruppe reingehen – einer von denen hatte einen Wächterkrummsäbel am Gürtel. Und eine Alte war auch dabei.«
Mir schauderte bei dem Gedanken an Doris und ihren unheimlichen Vierbeinergalopp.
Malachi machte einen Schritt vorwärts, ganz auf Ana konzentriert. »Hast du Ibram oder Sil gesehen?«
»Nein. Und sie waren auch nicht drinnen. Ich konnte durch eins der Fenster reinsehen.«
»Weißt du, wie viele drinnen sind?«
»Ein paar Dutzend, aber –« Ana sah mich seltsam an. »Lela, würdest du uns kurz entschuldigen?«
»Was? Na klar.« Immer noch wie unter Strom von Malachis Beinah-Kuss steuerte ich das Schlafzimmer an.
Er hob die Hand. »Warte. Ana, was du zu sagen hast, kannst du genauso gut vor Lela sagen. Es ist auch ihre Mission.«
Ana biss die Zähne zusammen und warf Malachi einen zornigen Blick zu. »Schön. Aber es wird dir leid tun, dass du es so gewollt hast.« Sie wandte sich mir zu und deutete auf mein Tattoo. »Ich glaube, ich hab deine Freundin gefunden.«
Mir klappte die Kinnlade runter. Hoffnung und überwältigende Angst ließen keinen vernünftigen Gedanken zu.
»Wo?« Ich brachte das Wort kaum heraus.
Ana sah Malachi an. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie bei den Rekruten war, die in das Gebäude gingen.«
»Du meinst, sie ist besessen?« Tränen traten mir in die Augen. Das konnte nicht wahr sein. Nicht nach der Schwerstarbeit, die ich geleistet hatte, um sie zu finden.
»Nein, noch nicht. Sie hat geweint. Mazikin sind normalerweise abnorm fröhlich, solange sie nicht angegriffen werden, also ist sie wohl noch sie selbst.«
Malachi und Ana tauschten einen Blick.
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