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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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du weißt, was ich meine«, sagte Johannes.
    Glogauer war müde. Er hatte sehr wenig gegessen und den größten Teil des Tages beim Ziegenhüten in der Sonne verbracht. Er gähnte und konnte sich nicht dazu bringen, die Frage weiter zu verfolgen
    »Ich weiß nicht…«, fing er an.
    Das Gesicht Johannes' verfinsterte sich für einen Augenblick, aber dann lachte er etwas gezwungen. »Sag jetzt nichts! Iß heute abend mit mir! Ich habe wilden Honig und Heuschrecken.«
    Glogauer hatte diese Speise noch nicht gegessen, sie war die Hauptnahrung von Reisenden, die keinen Proviant mitführten, sondern sich von dem ernährten, was sie unterwegs fanden. Manche hielten es für eine Delikatesse.
    »Danke«, sagte er. »Heute abend.«
    Johannes lächelte ihn an, ein mysteriöses Lächeln, und schritt dann mit seinen Männern davon.
    Rätselnd trieb Glogauer die Ziegen in ihre Höhlen, und schloß das Tor aus Weidengeflecht, um sie einzusperren. Dann ging er über den freien Platz zu seiner eigenen Höhle und legte sich aufs Stroh.
    Offenbar sah ihn der Täufer in irgendeiner Rolle, die in seine eigenen Pläne paßte.
    All das Gras, all die Bäume, all die Sonnentage mit Eva, der süßen, jungfräulichen, ihn bewundernden Eva. Er hatte sie in Oxford auf einer Party kennengelernt, die Gerard Friedman gab, der Journalist, der auf Bücher über das Übernatürliche spezialisiert war.
    Am nächsten Tag waren sie an der Isis spazierengegangen, hatten die Barken am anderen Ufer angesehen, die fischenden Jungen und die Türme der Colleges in der Ferne.
    Sie war beunruhigt.
    »Du darfst dir nicht soviel Sorgen machen, Karl. Nichts ist vollkommen. Kannst du das Leben nicht nehmen, wie es kommt?«
    Sie war das erste Mädchen, bei dem er sich entspannt gefühlt hatte. Er hatte gelacht. »Ich nehme es an. Warum nicht?«
    Sie war so warm. Ihr blondes Haar war lang und fein, fiel ihr oft über das Gesicht und verbarg ihre großen blauen Augen, die ihn immer so offen ansahen, ob sie ernst oder belustigt war.
    Diese paar Wochen hatte er das Leben genommen, wie es kam. Sie schliefen miteinander in seiner kleinen Bodenkammer in Friedmans Haus, ließen sich weder durch Friedmans widerwärtiges Interesse an ihrem Verhältnis noch durch die Briefe, die sie manchmal von ihren Eltern bekam, stören, in denen sie fragten, wann sie nach Hause käme.
    Sie war achtzehn, ihr erstes Jahr am Somerville College, und es waren Ferien.
    Es war das erstemal, daß ihn jemand liebte. Sie war vollkommen in ihn verliebt und er in sie. Zuerst hatten ihn ihre Leidenschaft und ihre Sorge um ihn verlegen gemacht, ihn mißtrauisch gemacht, denn er konnte nicht glauben, daß jemand soviel Liebe für ihn empfinden könnte. Allmählich hatte er sie angenommen und erwidert. Wenn sie voneinander getrennt waren, schrieben sie einander ziemlich schlechte Liebesgedichte.
    »Du bist so gut, Karl«, sagte sie oft. »Du wirst bestimmt einmal etwas ganz Großartiges in der Welt vollbringen.«
    Er lachte dann. »Das einzige Talent, das ich habe, ist das Talent zum Selbstmitleid…«
    »Selbstunsicherheit - das ist etwas anderes.«
    Er versuchte dann immer, ihr das idealisierte Bild von ihm auszureden, doch das überzeugte sie nur von seiner Bescheidenheit.
    »Du bist wie - wie Parzival…«, sagte sie eines Abends zu ihm, und er lachte laut, merkte, daß er sie beleidigt hatte, und küßte sie auf die Stirn.
    »Sei nicht albern, Eva!«
    »Ich meine es wirklich, Karl. Du suchst nach dem Heiligen Gral. Und du wirst ihn finden.«
    Er war von ihrem Glauben an ihn beeindruckt gewesen und begann sich zu fragen, ob sie recht hätte. Vielleicht war ihm wirklich etwas vorausbestimmt. Sie gab ihm ein so heroisches Gefühl. Er sonnte sich in ihrer Verehrung.
    Er war mit einigen Recherchen für Friedman beschäftigt und verdiente damit genug Geld, um ihr ein kleines silbernes ägyptisches Kreuz als Kettenanhänger zu kaufen. Sie hatte sich riesig darüber gefreut. Sie studierte vergleichende Religionswissenschaft und war zu der Zeit besonders begeistert von den Ägyptern.
    Aber es genügte ihm nicht lange, sich an ihrer Liebe für ihn zu erfreuen. Er mußte sie auf die Probe stellen; sich Sicherheit verschaffen. Er begann sich an den Abenden zu betrinken, ihr schmutzige Geschichten zu erzählen, in Kneipen Streit vom Zaun zu brechen - Streit, den er dann nicht ausfocht, weil er zu feige war, wie er klar zu erkennen gab.
    Und sie begann sich von ihm zurückzuziehen.
    »Du machst mich nervös«,

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