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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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dringend ein Zeichen. Angenommen, der echte Magus kommt an…«
    »Er ist gekommen. Du bist es. Ich habe gebetet, und ich weiß es.«
    Wie konnte er Johannes sagen, daß es sein dringender Wunsch nach Hilfe war, der ihn wahrscheinlich davon überzeugt hatte? Er seufzte.
    »Immanuel - willst du der Bevölkerung von Judäa nicht helfen?«
    Glogauer schob die Lippen vor. »Laß es mich überlegen, Johannes! Laß mich schlafen! Komm morgen zu mir, und ich werde es dir sagen.«
    Mit einiger Überraschung wurde ihm klar, daß sich ihre Rollen vertauscht hatten. Statt daß er sich das Wohlwollen des Täufers zu erhalten suchte, war der Täufer jetzt äußerst bemüht, sich seines zu erhalten.
    Als er zu seiner Höhle zurückkehrte, war er in Hochstimmung, konnte ein breites Lächeln nicht unterdrücken. Ohne etwas dafür getan zu haben, befand er sich jetzt in einer Machtposition. Wie sollte er die Macht einsetzen? Hatte er wirklich eine Mission zu erfüllen? Konnte er den Gang der Geschichte ändern und als der verantwortliche Mann den Juden helfen, die Römer hinauszuwerfen?
    6
    »Jude sein, heißt unsterblich sein«, hatte Friedman ihm einige Tage nach Evas Heimfahrt gesagt. »Jude sein, heißt ein Schicksal haben - selbst wenn man dieses Schicksal leicht überleben kann.«
    Friedman war groß und stark und hatte ein blasses, dickes Gesicht und zynische Augen. Er war fast völlig kahl. Er trug schwere Anzüge aus grünem Tweed. Er war äußerst großzügig zu Karl und schien wenig Gegenleistung dafür zu erwarten - nur Karl als Zuhörer gelegentlich.
    »Jude sein, heißt ein Märtyrer sein. Nimm noch einen Sherry!« Er ging quer durch sein Arbeitszimmer und schenkte Karl noch ein großes Glas ein. »Da lag dein Fehler bei ihr, mein Junge. Du konntest einen solchen Erfolg nicht ertragen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, Gerard. Ich wollte, daß sie mich so nahm, wie ich bin…«
    »Du wolltest, daß sie dich so nahm, wie du dich selbst siehst, nicht so, wie sie dich sah. Wer will sagen, wer recht hat? Du siehst dich als Märtyrer, nicht wahr? Was für ein Jammer! So ein hübsches Mädchen. Du hättest sie lieber mir abtreten können, statt sie zu vergraulen.«
    »Oh, red nicht so, Gerard! Ich habe sie geliebt.«
    »Dich selbst aber noch mehr geliebt.«
    »Wer tut das nicht?«
    »Viele Leute empfinden überhaupt keine Liebe für sich selbst. Es spricht für dich, daß du dich selbst liebst.«
    »Du redest, als wäre ich Narziß.«
    »Du siehst nicht so aus. Mach dir nichts vor!«
    »Einerlei, ich glaube nicht, daß es überhaupt etwas damit zu tun hat, daß ich Jude bin. Du und deine Generation, ihr macht immer etwas so Mystisches aus dem Judentum. Ihr überkompensiert, was unter Hitler geschah.«
    »Möglich.«
    »Außerdem bin ich gar kein richtiger Jude. Ich wurde nicht jüdisch erzogen.«
    »Bei so einer Mutter? Nicht jüdisch erzogen? Vielleicht bist du nicht in die Synagoge gegangen, mein Sohn, aber du hast es auf andere Art mitbekommen…«
    »Oh, Gerard! Du vernebelst die eigentliche Sache - ich suche nach einer Möglichkeit, sie zurückzugewinnen.«
    »Vergiß sie! Such dir ein nettes jüdisches Mädchen! Das meine ich wirklich. Sie wird dich verstehen. Wenn man es von allen Seiten betrachtet, Karl, diese nordischen Typen taugen nicht für das, was du brauchst…«
    »Herrgott! Ich wußte nicht, daß du ein Rassist bist.«
    »Ich bin nur ein Realist…«
    »Das habe ich schon einmal gehört.«
    »Na gut. Wenn du Ärger suchst…«
    »Vielleicht tue ich es.«
    Vater…
    Schmerzliche Blicke.
    Vater…
    Ein Mund, der sich bewegt. Keine Worte.
    Schweres Holzkreuz, das sich durch den Sumpf kämpft, während ein zartes Silberkreuz von einem Hügel aus zusieht.
    Hil… NEIN!
    Darf nicht bitten.
    Will nur… NEIN!
    HILF MIR!
    Nein!
    »Eine formale Religion taugt nichts«, sagte Johnny ihm im Pub. Johnny war ein Studienkollege Gerards. »Sie ist einfach nicht zeitgemäß. Du mußt die Antwort in dir selbst finden. Meditation.«
    Johnny war dünn und hatte ein ewig sorgenvolles Gesicht. Nach dem, was Gerard sagte, war er in seinem dritten Jahr und kam sehr schlecht voran.
    »Man holt sich Trost aus einer Religion, ohne Verantwortung zu übernehmen«, sagte Friedman von seinem Barhocker hinter Johnny. Karl lachte.
    Johnny drehte sich zu Friedman um. »Das ist typisch, nicht? Du weißt nicht, was du redest. Verantwortung? Ich bin Pazifist - bereit, für meinen Glauben zu sterben. Das ist mehr, als du tun

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