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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Zweiten Weltkrieg. Er besaß die gleiche Zähigkeit und den Sinn für die Realitäten seiner Lage. Er wußte, daß er nur eine einzige Chance haben würde, die im Lande stationierten Kohorten zu zerschlagen. Wenn sich die Revolte in die Länge zöge, hätte Rom genügend Zeit, Truppenverstärkungen nach Jerusalem zu schicken.
    »Was glaubst du, wann Adonai die Ungerechten durch deine Hand zu vernichten beabsichtigt?« fragte Glogauer diplomatisch.
    Johannes sah ihn ein wenig belustigt an.
    »Das Passahfest ist eine Zeit, wenn die Menschen erregt und am meisten aufgebracht gegen die Fremden sind«, sagte er.
    »Wann ist das nächste Passahfest?«
    »Erst in vielen Monaten.«
    Glogauer aß eine Weile schweigend, dann sah er den Täufer offen an.
    »Ich spiele eine Rolle in dieser Sache, nicht wahr?« fragte er.
    Johannes sah zu Boden. »Du wurdest uns von Adonai gesandt, um uns dabei zu helfen, seinen Willen zu erfüllen.«
    »Wie kann ich euch helfen?«
    »Du bist ein Magus.«
    »Ich kann keine Wunder wirken.«
    Johannes wischte sich Honig von seinem Bart. »Das kann ich nicht glauben, Immanuel. Die Art deiner Ankunft war wundersam. Die Essener wußten nicht, ob du ein Teufel oder ein Sendbote Adonais warst.«
    »Ich bin keines von beiden.«
    »Warum verwirrst du mich, Immanuel? Ich weiß, daß du Adonais Sendbote bist. Du bist das Zeichen, das die Essener erwarteten. Die Zeit ist fast reif. Das Reich Gottes auf Erden wird bald errichtet werden. Komm mit uns! Sage den Leuten, daß du mit Adonais Stimme sprichst! Wirke große Wunder!«
    »Deine Macht läßt nach, ist es das?« Glogauer sah Johannes scharf an. »Du brauchst mich, um die Hoffnung deiner Rebellen zu erneuern?«
    »Du sprichst wie ein Römer, mit so wenig Takt.«
    Johannes stand ärgerlich auf.
    Offenbar zog er es vor, sich weniger direkt auszudrücken wie die Essener, mit denen er lebte. Es gab dafür einen praktischen Grund, erkannte Glogauer, da Johannes und seine Männer ständig Verrat fürchteten. Selbst die Aufzeichnungen der Essener waren zum Teil in Code geschrieben, wobei ein harmlos erscheinendes Wort oder eine Wendung etwas vollkommen anderes bedeuten konnte.
    »Verzeih mir, Johannes! Aber sag mir bitte, ob ich recht habe!«
    Glogauer sprach leise.
    »Bist du kein Magus, wenn du in diesem Wagen aus dem Nichts auftauchst?« Der Täufer breitete die Hände aus und zuckte die Achseln. »Meine Leute sahen dich. Sie sahen, wie das glänzende Ding in der Luft Gestalt annahm, aufplatzte und dich heraussteigen ließ. Ist das nichts Wunderbares? Die Kleider, die du trugst - war das eine irdische Gewandung? Die Talismane in dem Wagen - sprachen die nicht für einen mächtigen Zauber? Der Prophet sagte, es würde ein Magus aus Ägypten kommen, und er würde Imanuel heißen. So steht es im Buch Micha. Sind all diese Dinge nicht wahr?«
    »Die meisten. Aber es gibt Erklärungen…« Er brach ab, weil ihm kein passender Ersatz für das Wort ›rational‹ einfiel. »Ich bin ein gewöhnlicher Mann wie du. Ich habe nicht die Macht, Wunder zu wirken. Ich bin nur ein Mensch!«
    Johannes sah ihn böse an. »Du willst damit sagen, du verweigerst uns deine Hilfe?«
    »Ich bin dir und den Essenern dankbar. Ihr habt mir mit großer Wahrscheinlichkeit das Leben gerettet. Wenn ich mich dafür erkenntlich zeigen kann…«
    Johannes nickte nachdenklich. »Du kannst es, Immanuel.«
    »Wie?«
    »Sei der große Magus, den ich brauche! Laß mich dich allen vorführen, die ungeduldig werden und sich von Adonais Willen abkehren möchten! Laß mich ihnen erzählen, wie du zu uns gekommen bist! Dann kannst du sagen, daß alles Adonais Wille ist und sie sich bereitmachen müssen, ihn zu erfüllen.«
    Johannes starrte ihn durchdringend an.
    »Willst du das, Immanuel?«
    »Johannes - gibt es keine Möglichkeit, dir zu helfen, ohne dich oder mich oder die Leute zu täuschen…?«
    Johannes sah ihn nachdenklich an. »Vielleicht bist du dir deiner Bestimmung nicht bewußt…«, sagte er sinnend. »Warum nicht? Ich wäre tatsächlich viel mißtrauischer, wenn du große Ansprüche geltend machtest. Immanuel, willst du es mir nicht glauben, daß du derjenige bist, dessen Ankunft uns prophezeit wurde?«
    Glogauer fühlte sich geschlagen. Wie konnte er dagegen anstreiten? Nach allem, was er wußte, konnte er doch derjenige sein. Angenommen, es gab Menschen, die mit einer Art hellseherischer Begabung ausgestattet waren… Oh, das war Unsinn. Aber was konnte er tun?
    »Johannes, du brauchst

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