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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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einen Pflug, den zwei andere Mitglieder der Sekte zogen; manchmal half er einen Pflug ziehen; manchmal hütete er die Ziegen, die an den Berghängen weideten.
    Es war ein friedliches, geordnetes Leben, und selbst die ungesunden Aspekte gehörten so fest zur Routine, daß Glogauer sie nach einiger Zeit gar nicht mehr wahrnahm.
    Wenn er die Ziegen hütete, lag er auf einer Bergkuppe und schaute über das Wüstenland hinaus. Es war keine absolute Wüste, sondern ein felsiges, mit Gestrüpp bewachsenes Land, das Tieren wie Ziegen oder Schafen ausreichend Futter bot.
    Hier und da wuchsen Sträucher, und am Ufer des Flusses, der zweifellos ins Tote Meer mündete, auch einige kleinere Bäume.
    Das Gelände war uneben. Es hatte die Konturen eines aufgewühlten Sees, der dann gefroren und gelb und braun geworden war.
    Hinter dem Toten Meer lag Jerusalem.
    Offenbar hatte Christus die Stadt noch nicht zum letztenmal betreten.
    Johannes der Täufer müßte (wenn man sich auf das Neue Testament verlassen konnte) noch vorher sterben. Salome müßte für Herodes tanzen, und der große Kopf des Täufers müßte von seinem Körper abgetrennt werden. Die Art, wie dieser Gedanke ihn erregte, erzeugte ein Schuldgefühl bei Glogauer. Müßte er den Täufer nicht warnen?
    Er wußte, daß er es nicht tun würde. Er war besonders gewarnt worden, bevor er sich in die Zeitmaschine begab, daß er keinen Versuch machen dürfe, am Lauf der Geschichte etwas zu ändern. Er redete sich selbst ein, daß er ja nicht genau wußte, welchen Lauf die Geschichte dieser Zeit genommen hatte. Es gab nur Legenden, keine rein historischen Berichte. Die Bücher des Neuen Testaments waren Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nach den Ereignissen geschrieben, die sie schilderten. Sie waren nie historisch überprüft worden. Spielte es dann eine Rolle, wenn er in das Geschehen eingriff?
    Aber er wußte dennoch, daß er keinen Versuch machen würde, Johannes vor der Gefahr zu warnen.
    Undeutlich empfand er auch, weshalb. Er wollte, daß die Ereignisse wahr wurden. Er wollte, daß das Neue Testament recht behielt.
    Bald würde er Jesus aufsuchen müssen.
    Seine Mutter zog häufig um, neigte jedoch dazu, immer ungefähr in der gleichen Gegend zu bleiben. Wenn sie ein Haus in einem Teil von Süd-London verkaufte, kaufte sie ein anderes nur einen Kilometer davon entfernt.
    Nach seiner kurzen Phase als Rock-and-Roll-Fan zogen sie nach Thornton Heath, und er trat dem dortigen Kirchenchor bei. Seine Stimme war gut und klangvoll, und der Kurat, der die Proben des Chors leitete, begann ein besonderes Interesse an ihm zu zeigen. Zuerst unterhielten sie sich über Musik, aber bald drehten sich ihre Gespräche mehr und mehr um Religion. Karl bat den Kuraten um Rat bei seinen recht allgemeinen Gewissensproblemen. Wie konnte er ein normales Leben mit normaler Betätigung führen, ohne jemanden zu verletzen? Warum waren Menschen so gewalttätig gegeneinander? Warum gab es Kriege?
    Mr. Youngers Antworten waren etwa so verschwommen und allgemein wie Karls Fragen, aber er gab sie mit einer so tiefen, selbstsicheren und überzeugenden Stimme, daß Karl sich anschließend immer wohler fühlte.
    Sie gingen miteinander spazieren. Mr. Younger legte seinen Arm um Karls Schultern.
    An einem Wochenende fuhr der Chor zu einem Fest nach Winchester, und sie übernachteten in einer Jugendherberge. Karl schlief in einem Zimmer mit Mr. Younger.
    Spätnachts kroch Mr. Younger zu Karl ins Bett.
    »Ich wünschte, du wärst ein Mädchen, Karl«, sagte Mr. Younger und streichelte Karls Kopf.
    Karl war zu verwirrt, um zu antworten, aber er reagierte, als er Mr. Youngers Hand an seinen Genitalien spürte.
    Sie liebten diese ganze Nacht, aber am Morgen fühlte sich Karl angeekelt, und er stieß Mr. Younger vor die Brust und sagte ihm, wenn er das jemals wieder versuchen sollte, würde er es seiner Mutter sagen.
    Mr. Younger weinte und sagte, es täte ihm leid. Könnten er und Karl nicht Freunde bleiben? Aber Karl hatte das Gefühl, daß Mr. Younger ihn irgendwie verraten hatte. Mr. Younger sagte, er liebte Karl - nicht so, sondern auf eine christliche Art - und daß ihm seine Gesellschaft viel Freude gemacht hätte. Aber Karl sprach nicht mit ihm und wich ihm auf der Heimfahrt nach Thornton Heath aus.
    Karl blieb noch einige Wochen im Kirchenchor, aber zwischen ihm und Mr. Younger herrschte Spannung.
    Am Ende eines Probenabends bat Mr. Younger Karl, noch dazubleiben, und Karl wurde zwischen Abscheu und

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