INRI
die Mühe machen, dir diese Warnung zu geben?«
Karl lächelte ihn an. »Du bist sehr lieb, Gerard…«
»Oh, mein Gott! Nicht doch, Karl, bitte! Verstehst du nicht, was ich meine? Wenn du mich noch einmal so ansiehst, gebe ich dir nicht dieses teure Essen aus. Ich meine es ernst.«
Karl seufzte. Der einzige Mann, der ihm je uneigennützige Zuneigung geschenkt hatte, war auch der einzige Mann, der sich jede Zuneigung von ihm verbat. Es war wirklich Ironie.
Ich möchte…
Ich brauche…
Ich möchte…
»Monica. Es ist irgendein Mangel in mir …«
»Was für ein Mangel?«
»Nun, vielleicht ist es mehr der Mangel eines Mangels, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Oh, um Himmels willen!«
»Du bist sensibel«, hatte Eva ihm gesagt.
»Nein, ich sagte dir - ich bemitleide mich selbst. Das hältst du für Sensibilität.«
»Oh, Karl. Warum hast du kein Erbarmen für dich selbst?«
»Erbarmen? Ich verdiene es nicht.«
»Wonach suchst du, Karl?« fragte Gerard beim Essen.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nach dem Heiligen Gral. Eva schien zu glauben, daß ich ihn finden würde.«
»Warum nicht? Er müßte heutzutage ein Vermögen wert sein. Trinken wir noch eine Flasche?«
»Du weißt, ich bin kein Märtyrer, Gerard, ich bin kein Heiliger, ich bin kein Held, und ich bin auch nicht wirklich ein Lump. Ich bin einfach ich selbst. Warum können die Leute mich nicht so nehmen?«
»Karl - ich mag dich gerade, weil du genauso bist, wie du bist.«
»Weil du den Gönner spielen kannst. Dir gefällt es, daß ich so durcheinander bin, meinst du.«
»Vielleicht hast du recht. Noch eine Flasche?«
»Na schön.«
Gerard hatte ihm angeboten, die Kosten für sein Psychologiestudium zu übernehmen.
»Ich tue es nur, weil ich mir große Sorgen mache, was sonst aus dir wird«, hatte er gesagt. »Wenn es so weitergeht, trittst du noch zur katholischen Kirche über!«
Er hatte ein Jahr studiert und es dann wieder aufgegeben. Er hatte nur Jung studieren wollen, und sie hatten darauf bestanden, daß er auch noch alles mögliche andere studieren sollte. Ihm sagte das meiste andere nicht zu.
Gott?
Gott?
Gott?
Keine Antwort.
Mit Gerard war er ernst, eindringlich, intelligent.
Mit Johnny war er überlegen, herablassend.
Mit manchen war er still. Mit anderen laut. In Gesellschaft von Narren war er fröhlich wie ein Narr. In Gesellschaft von Leuten, die er bewunderte, war er froh, wenn es ihm gelang, scharfsinnig zu erscheinen.
»Warum bin ich alles mögliche und benehme mich so verschieden mit allen Leuten, Gerard? Ich weiß einfach nicht, wer ich wirklich bin. Wer von diesen Leuten bin ich, Gerard? Was stimmt mit mir nicht?«
»Vielleicht bemühst du dich nur ein wenig zu sehr zu gefallen, Karl.«
7
Er hatte Monica im Sommer 1962 wiedergesehen, kurz nachdem er sein Studium aufgegeben harte. Er war mit allerlei Gelegenheitsarbeiten beschäftigt, und seine Stimmung war sehr schlecht.
Zu der Zeit war ihm Monica als große Hilfe erschienen, eine großartige Führung durch die seelische Düsternis, die ihn umfangen hatte.
Sie wohnten beide nicht weit vom Holland Park, und dort hatten sie sich eines Sonntags am Goldfischbecken in den Gartenanlagen getroffen.
Sie gingen in diesem Sommer fast jeden Sonntag im Holland Park spazieren. Er war zu dieser Zeit vollkommen beherrscht von Jungs merkwürdigem christlichen Mystizismus.
Sie, die Jung ablehnte, hatte bald begonnen, all seine Gedanken schlechtzumachen.
Obwohl sie ihn nie wirklich überzeugte, gelang es ihr doch bald, ihn unsicher zu machen.
Es dauerte sechs Monate, bis sie miteinander ins Bett gingen.
Er erwachte und sah Johannes vor sich stehen. Das bärtige Gesicht des Täufers drückte Erwartung und Sorge aus.
»Nun, Immanuel?«
Karl kraulte sich seinen Bart. Er nickte. »Also gut, Johannes. Ich will euch helfen, um euretwillen, weil ihr freundlich zu mir wart und mir das Leben gerettet habt. Aber würdest du dafür Männer ausschicken, um meinen Wagen so bald wie möglich hierher zu holen? Ich will sehen, ob er sich reparieren läßt.«
»Das will ich tun.«
»Du darfst meine Kraft nicht zu hoch einschätzen, Johannes…«
»Ich glaube absolut an deine Kraft…«
»Ich hoffe, du wirst nicht enttäuscht.«
»Das werde ich nicht.« Johannes legte seine Hand auf Glogauers Arm. »Du wirst mich morgen taufen, um allen Leuten zu zeigen, daß Adonai mit uns ist.«
Er war immer noch beunruhigt über den Glauben des Täufers an seine Kräfte, aber er
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