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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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rufen, Zikaden singen ihr eintöniges Lied, Bokmakieries, die gelben Buschwürger mit der schwarzen Kehle, lassen ihr schallendes Duett von den Baumwipfeln ertönen, die Geräusche vermischen sich zu einem harmonischen Klangbrei. Nun kam der Donner mit dumpfen Trommelwirbeln hinzu. »Tok tok tok kwirr kirr kirr!«, schrie der Bokmakierie eine Warnung, und Henrietta merkte auf. Neue Klänge ertönten in der Hintergrundmusik der Wildnis, und allmählich erkannte sie die gedämpften Laute als solche aus menschlichen Kehlen. Sie hielt die Luft an.
    Wildhüter? Touristen? Hoffnung trieb ihr das Blut durch die Adern. Wildhüter, Garne Ranger, hatten ähnliche Befugnisse wie die Polizei, waren bewaffnet. Von Mary erhielt sie ihre Antwort. »Wer kommt da?«, fragte sie ihren Vater,
    »schnell, sag es mir! Erwartest du Besuch?« »Es wird der Missionsdoktor sein«, nuschelte der alte Mann durch seine Zahnlücken. »Immer wenn drei Monate um sind, kommt er. Vielleicht sind heute drei Monate um.« Er hustete, brachte etwas hoch, wischte es mit dem Handrücken ab.
    Wütend hieb Mary mit dem Sjambok auf den Boden. »Bringt die weißen Frauen in die Ixhiba, die kleine Kochhütte, beeilt euch!«, befahl sie den Männern,
    »tötet sie, wenn sie reden. Wenn sie jemand hört, haben wir ein Problem.«
    Zwei Männer stießen sie zu der abseits stehenden kleineren Hütte und drängten sie durch den niedrigen Eingang. Backofenhitze schlug 284
    ihnen entgegen, ein Geruchsgemisch von Rauch, Kuhdung und verwesendem Fleisch raubte ihnen fast den Atem. Isabella bekam einen Hustenanfall, und Susi klappte vornüber, würgte, hustete, erstickte fast dabei. In der Mitte der Hütte war eine erkaltete Feuerstelle mit Kohleresten, die Holzverstrebungen des Daches waren rauchgeschwärzt. Neben dem Eingang lag ein Haufen blutiger, abgeschabter Kuhhäute, bedeckt von Fliegen wie von einem schwarzen Pelz.
    Gestört stieg der Schwärm auf und umsummte angriffslustig die Frauen.
    »Reiß dich zusammen, atme flach«, zischte sie und setzte sich auf der gegenüberliegenden Seite, weit von den Häuten entfernt, auf den Boden, lehnte sich an den niedrigen, lehmverputzten Wandsockel.
    Einer der Männer hockte sich, die Maschinenpistole auf den Knien abstützend, auf den festgestampften Hüttenboden vor den mit einem Kuhfell verhängten Eingang. »Thula!«, befahl er. Die fremden Stimmen kamen näher, und Henrietta konnte deutlich eine tiefe männliche und eine klare weibliche, offenbar die einer Zulu, unterscheiden. »Sanibona«, grüßte der Mann auf Zulu, aber sie war sich sicher, dass der Sprecher ein Weißer war. Sein Zulu war holprig, beschränkte sich auf einige Phrasen. Sie wandte den Kopf, bewegte sich, sofort folgte ihr die schwarze Mündung der Maschinenpistole wie der Kopf einer Schlange ihrer Beute. Verdammt! »Mir ist schlecht«, stöhnte Susi, »ich muss mich übergeben.« »Thula!« Die Pistolenmündung schwang zu ihr herum. Susi fuhr zusammen, übergab sich mit langem Stöhnen, fiel dann japsend zurück, hustete noch ein paar Mal. »Ich kann nicht mehr«, weinte sie und schrie auf, als der Wächter ihr seine Waffe in die Seite stieß.
    »Lass sie in Ruhe!«, rief Henrietta, alle Vorsicht außer Acht lassend. »Da ist ja noch jemand«, hörten sie den Fremden auf Englisch ausrufen, und Momente später wurde der Fellvorhang zur Seite geschlagen. »Hallo, meine Damen, was machen Sie denn hier?«, rief der und bückte sich, um durch den Eingang zu treten. Er kam
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    nicht weit. Jemand versetzte ihm von hinten einen Stoß, und er fiel bäuchlings in die Hütte. »Was zum Teufel...!«, brüllte er, fuhr hoch und sah geradewegs in den Lauf der Maschinenpistole. Langsam sank er zurück, sein athletischer Körper war bis in die letzte Faser gespannt, dass die Muskelpakete an Oberarmen und Schenkeln deutlich hervortraten.
    »Die Frau!«, hörten sie Moses draußen brüllen, »sie ist weggerannt!«
    »Von welcher Frau reden die?«, fragte Henrietta leise, als sie bemerkte, dass ihr Bewacher abgelenkt war.
    Der junge Mann drückte sich langsam hoch, immer den Wächter am Eingang im Blick behaltend. »Meine Krankenschwester Judy - ich bin der Missionsarzt -, ihre hervorstechendste Eigenschaft ist das blitzschnelle Erkennen von unangenehmen Situationen, dem dann unweigerlich der Entschluss folgt, sich derselben zu entziehen. Ich hoffe, sie findet schnell zum Auto. Es steht auf der südlichen Seite vom Fluss, nur eine gute halbe Stunde Fußmarsch von

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