Ins dunkle Herz Afrikas
Henrietta und befühlte ihre Beule. Blaurot, blutig, mittlerweile groß wie ein Hühnerei - sie hing so weit herunter, dass sie sie mit dem anderen Auge sehen konnte -, drückte sie das linke Auge zu einem Schlitz zusammen. Es war so gut wie blind.
»Lass mich das mal sehen, Henri.« Ron winkte sie zu sich, denn Susi hielt ihn fest umschlungen. Sie kroch zu ihm. Die Hütte war nur etwa vier Meter im Durchmesser, und nur im Mittelteil konnte man stehen. »Tut das weh?« Mit leichten Fingern drückte er verschiedene Stellen. »Ist dir schwindelig? Nein -
gut, scheint keine Gehirnerschütterung zu sein, offenbar hast du Glück gehabt.« »Ich kann nicht richtig sehen.«
;; »Der Sehnerv wird von dem
Bluterguss gequetscht.« -
288
»Schlimm?«
»Harmlos ist es nicht. Wir müssen hoffen, dass die Schwellung schnell zurückgeht.« Er biss sich auf die Lippen. »Was will Mary Mkize? Geld?«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete sie ruhig, »sie zeigte mir vorhin mehrere Gräber, die ihrer Familie, sagte sie. Nur ihr Vater und ihr Sohn seien noch am Leben, und auch der würde nicht mehr lange durchhalten. Sie behauptet, dass alle nach dem Genuss des Vitaminsafts, den Mrs. Robertson regelmäßig hierher bringt, gestorben seien. Sie ist überzeugt, die Weißen hätten den Saft vergiftet, um ihre Sippe auszurotten. Es ist völlig unmöglich, dass Tita so etwas zulässt. Auch du scheinst die Robertsons falsch einzuschätzen. Geld verdirbt nicht immer, und in unserem Fall könnte es sehr hilfreich sein. Die Vorstellung, dass Daddy Kappenhofers Truppen im Anmarsch sind, würde mich ungemein beruhigen.«
»Sie werden euch sicher bald vermissen.« Ron wollte sie offensichtlich beruhigen.
»Nicht vor Einbruch der Dunkelheit«, warf Isabella ein, »Tantchen Henri hier wollte noch ihr ehemaliges Hausmädchen besuchen, das hier irgendwo haust. Die werden denken, die Damen haben sich verplaudert. - Oder sie glauben, dass wir eine Reifenpanne haben, gemütlich unter einem Baum picknicken, während wir unserem Fahrer beim Reifenwechseln zusehen.«
»Kaum«, Henrietta legte Zuversicht in ihre Stimme, »das Unwetter wird sie auch bald erreichen, dann spätestens wissen sie, dass wir in Schwierigkeiten sind, und lan und Neu werden uns suchen.« Vielleicht würde lan schon vorher unruhig werden, hoffte sie, ein paar Mal hatte sie das erlebt. Ohne Grund hatte er dann angerufen oder war verfrüht von einer Reise zurückgekehrt. Du hast mich gerufen, ich musste kommen, war seine Erklärung, und immer war es so gewesen.
Sie hatte ihn gebraucht. Seit er sie und die Kinder 1968 zurückgelassen hatte, um sein eigenes Leben zu retten, hatte er diesen Instinkt entwickelt. Sie ahnte, dass er seine Flucht als ein Versagen gegenüber seiner Familie begriff.
289
»Es ist wie ein eingekapselter Abszess«, beschrieb er ihr es einmal, s »ich kann nicht einmal daran denken, ohne Angst zu haben, dass er ,';, aufplatzt.
Ich weiß, ich würde es nicht aushaken, und je älter ich * werde, desto schlimmer wird es.«
r Sie gingen in der sinkenden Sonne am Strand von Umhlanga ent-; lang, eingehüllt in die Geräusche des Ozeans, um sie herum nur ( Weite, Leere, kreischende Möwen. Ganz still war sie neben ihm ;; durch den nassen Sand gestapft. Würde sie jetzt erfahren, was in die-, sen sieben Tagen geschehen war?
,, »Als ich euch allein ließ, kam mein Leben zum Stillstand. Danach i hab ich nur noch in einem schwarzen Tunnel existiert, an dessen , Ende es einen winzigen Lichtpunkt gab, den Tag, an dem ich euch ,5 wieder sehen würde. Das hielt mich am Leben.« Seine Hand, die ihre , umschloss, verkrampfte sich.
»Sieben Tage lang, sieben Mal vierund-zwanzig Stunden, habe ich mich auf dieses Licht konzentriert. Ich wusste, wenn ich dieses Licht erreiche, werde ich mein Leben wieder finden.« Er zog sie weiter. Der Abend malte blaue Schatten auf den Sand, die Brandung fraß sich tief in den Strand, legte Felsen bloß, machte ihren Weg sehr beschwerlich, aber er zog sie weiter. »Es war ein so unirdisch schöner Tag, dieser 28. März 1968. Einer der zahlreichen Freunde des ANC im Ausland steuerte das Boot. Der See war spiegelglatt, die Sonne glitzerte auf der Oberfläche, außer dem Tuckern des Bootsmotors hörte ich nichts. Alles, was ich von dieser Fahrt im Gedächtnis behalten habe, ist ein Gefühl«, zum ersten Mal sah er sie an, »ein Gefühl von Licht, von -
Leichtigkeit und Freiheit. Ich kann es dir nicht anders beschreiben. Meine
Weitere Kostenlose Bücher