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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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stillen, würde Isabella blindlings den Sprung über die Schlucht aus ihrer Welt in die seine wagen, zu spät merkend, dass keine Brücke die beiden verband, von ihrer Welt wäre sie abgeschnitten, in seiner wäre sie fremd.
    Lukas' Schattenvogel war ein freundlicher, er hatte die Grenze zwischen den Kulturen überschritten und sich dabei nicht verloren, aber er war ein Zulu, geprägt durch seine Herkunft, Erziehung und Tradition.
    Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, was Isabella in Lukas' Arme trieb. Sie hatte es klar genug gesagt. Aber war es nun das Kind Isabella, das die Liebe seiner Nanny wieder zu finden suchte, oder war es die Frau, die sich in einen Mann verliebt hatte? Oder war es, viel banaler, der Kitzel, ewiges Thema beim Kaffeekränzchen der Damen und an den Stammtischen der Herren, als Weiße mit einem Schwarzen zu schlafen?
    Verunsichert sah sie den beiden einen Augenblick zu, hoffte inbrünstig, dass es einfach Liebe war und keiner von ihnen verletzt werden würde. Hoffte, dass es eine Zukunft für sie gab. ,,,.,,
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    Isabellas Atem kam ruhiger, ihr goldener Kopf lag an Lukas' Schulter, er hatte sein Gesicht in ihren Haaren vergraben. Einer der intimsten Momente zwischen Mann und Frau, und sie zog sich so geräuschlos wie möglich zurück und schlüpfte wieder in die Kochhütte. Susi und Ron waren aufgewacht, hatten ihre und Isabellas Abwesenheit bemerkt. »Ich hab nur mal Luft geschnappt, ich weiß nicht, wo Isabella ist. Sie wird immer noch Durchfall haben. Sicher ist sie gleich wieder da.«
    Lange starrte sie vor sich hin, ohne zu blinzeln, bis Sterne vor ihren Augen tanzten. »Morgen werde ich versuchen, hier wegzukommen«, sagte sie nach einer Weile in die Stille, »in drei Tagen spätestens müssen wir das Land verlassen haben, wenn wir nicht bis vierund-zwanzig Uhr am fünften Januar raus sind ...«
    Sie ließ den Satz hängen, schüttelte sich.
    »Wer sagt denn das?«, fragte Ron ungläubig.
    »Bitte frag nicht weiter.« Sie umschlang ihre Knie, legte ihren Kopf auf die Beuge ihrer Arme, schloss die Augen und reiste zu lan.
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3. Januar 1991
    JTlenrietta lag schon eine Weile wach, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass der Boden unter ihr zunehmend aufweichte. Die Ursache war schnell offensichtlich. Durch die unzählige Risse im unteren Bereich der Wand drückte das Regenwasser herein. Aber eben war da noch etwas anderes gewesen. »Ich hab schon Halluzinationen«, bemerkte sie verwirrt, »ich hatte eben das Gefühl, der Boden bewegte sich.« Sie schlug die Kuhhaut zurück. Der Schwarze, der unter dem Vorratsdach saß, drehte sich zu ihr, die Mündung seiner Maschinenpistole schwang mit. Sie ignorierte ihn, suchte die Umgebung mit den Augen ab. Nichts.
    Trist und verregnet, aber unverändert und merkwürdig still lag das Umuzi. Von ihren anderen Bewachern war noch nichts zu sehen, nur ihre rauen Stimmen drangen aus der großen Hütte hinter der ihren.
    »Du bist überreizt, da bildet man sich so etwas schon einmal ein«, hörte sie Ron murmeln.
    Aber sie war sich sicher, der Boden hatte sich bewegt. Was hatte das zu bedeuten? Erdbeben? Gehört hatte sie nichts. Die Erdbeben, die sie erlebt hatte, waren unter ihren Füßen durchgerollt wie Expresszüge. Als sie eben den Kopf zurückziehen wollte, entdeckte sie Mary. Sie trat vor die große Hütte am oberen Ende des Umuzis, in der ihr Sohn lag. Einen Augenblick stand sie nur da, ihre Augen geschlossen, das Gesicht dem Himmel zugewandt. Langsam hob sie ihre Arme, und ein Laut zerriss ihre Kehle, der Henrietta die Haare zu Berge stehen ließ. Unheimlich, wie das Heulen des Windes, der im Kamin gefangen ist.
    Die Totenklage der Zulus. Sie rang nach Luft. Ihr angstvoll hämmerndes Herz verschlang
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    Sauerstoff. »Marys Sohn scheint gestorben zu sein«, wisperte sie ihren Freunden zu, konnte kaum die Worte formen, so sehr zitterte sie. »Wenn er stirbt, hat sie zu mir gesagt, sterben wir auch.« Zitternd setzte sie sich auf den Boden, versuchte ihre flatternden Nerven unter Kontrolle zu bringen. »Sie wird sich etwas Besonderes ausdenken«, krächzte sie, und der scharfe Geruch von verkohltem Fleisch stach ihr wieder in die Nase, das Abbild eines Menschen, verbrannt, dass sich das Fleisch als Flöckchen von den Knochen löste, flimmerte vor ihren Augen, rußige Skeletthände streckten sich ihr entgegen, eine schwarze Mundhöhle grinste obszön. Das Halsband!
    Angst überwältigte sie, die den Kern ihres Seins spaltete.

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