Ins dunkle Herz Afrikas
sonnenbrillengeschützten Blick zum Wagen.
Julia, Karsten und Jan waren auch ausgestiegen, und lan stellte sie rasch vor.
»Jan und Julia - eh? So, so. - Hallo.« Ritchie musterte sie, seine Brille jedoch entfernte er nicht. »Okay!«, brüllte er seinem Fahrer zu, »fofftein, Jungs!« Mit dem Daumen zeigte er auf seinen Geländewagen. »Was zu trinken und ein Happen zu essen sind hinten im Kühlkasten, Tom!« Er fischte eine Bierdose aus dem Kühlkasten, auf der sofort die hohe Luftfeuchtigkeit kondensierte.
»Kann ich euch etwas anbieten?«, fragte er in die Runde, »meine Silky lässt mich nie in den Busch gehen, ohne mir eine Picknicktasche zu packen. Silky ist meine Frau«, ergänzte er.
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»Fofftein? Klingt irgendwie hamburgisch.« lan hatte Deutsch gesprochen.
Ritchie lachte dröhnend. »Woher weiß denn so ein Schotte wie du, dass man in Hamburg >Fofftein< sagt, wenn man meint >mach mal 'ne Pause Du bist doch Schotte, oder?« »Wir wohnen in Hamburg.«
»Ach was! Na, darauf müssen wir später mal ein paar Bier kippen, was? Was machst du hier? Geschäftlich? Privat?« Er streckte seine Nase vor, als hätte er eine Fährte aufgenommen. »Wir besuchen Freunde«, beendete lan das Gespräch.
»Die Zeit drängt. Können wir aufbrechen, ist der Weg befahrbar?« Henrietta stieg aus, streckte sich. »Was hält uns auf, ich fall gleich um vor Müdigkeit!«
»Das ist also Henrietta«, sagte Ritchie, »ja, wer hätte das denn gedacht!« Er setzte seine verspiegelte Brille ab.
Henrietta hob ihre Augen, und die Begrüßung blieb ihr im Hals stecken.
Er war nicht mehr schmal wie als kleiner Junge, groß war er und kräftig, sein Gesicht braun gegerbt, wie jemand, der viel Zeit im Freien zubringt. Seine Augen glänzten wasserblau wie die seines Vaters. Sein Lächeln aber war wie ihr eigenes. Dietrich. Ihr Bruder.
»Hallo, Schwesterlein«, sagte Dietrich und lächelte breit, »es ist verflucht lange her, was?«
»Dietrich!«, rief sie atemlos, »Dietrich? Bin ich verrückt geworden? Du kannst nicht hier sein!«
Wieder sein dröhnendes Gelächter. »Silky und ich haben eine Farm hier, nur für die Ferien, nichts Kommerzielles.« Er zog ein Farbfoto hervor. »Silky und unsere drei Kinder!« Alle waren strohblond mit hellen Augen.
Henrietta starrte sprachlos von ihrem Bruder zu dem Foto, aber ihr Gehirn weigerte sich zu begreifen, was sie in den letzten Minuten erfahren hatte.
»Ich werd verrückt«, stieß sie endlich matt heraus und setzte sich einfach auf die regendurchweichte Erde. >
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Jan half ihr zurück in Jills Wagen, flößte ihr Wasser aus einer Flasche ein und ließ nicht locker, bis sie ein wenig von dem Salat aß, den Jill in einem Kühlkasten mitgenommen hatte. Zum Schluss reichte er ihr einen Flachmann.
»Whisky, runter damit!« »Alles?«, protestierte sie kläglich, aber gehorchte.
•>., »Ist euer Fluss passierbar?«, hörte sie Jill fragen.
< •" »Oh, oh. Habt ihr Flinten mit? Es wimmelt da von Krokodilen.« Jill nickte bestätigend. »Ja, natürlich haben wir welche mit.« »Gibt es hier wirklich Kroks?«, fragte Karsten, Zweifel in seinem Ton.
»Massenweise«, grinste Ritchie, »hinterhältige Viecher, tückisch und schlau, und immer da, wo man sie gar nicht gebrauchen kann. Gedeihen prächtig dank einer Diät von jungen Frauen, die aus ihren Umuzis zum Fluss kommen, um Wasser zu holen.« »Lass dich nicht verrückt machen, meistens fressen die Antilopen oder saufende Kühe, nur ab und zu greifen sie Menschen an«, versuchte Neil abzuwiegeln.
Henrietta spürte, wie lan seine Muskeln spannte, sah sein Gesicht wieder zu der altbekannten Fassade werden, aber sie kam nicht dazu nachzuhaken. Tom schob mit seinem Bagger noch ein paar Schlammzungen weg, dann verabschiedeten sie sich von Tricky Ritchie. »Bei den Robertsons wohnt ihr? Ich denke, ich werde mit meiner Silky einmal vorbeikommen. Ich rufe vorher an, okay?« Damit schwang er sich in seinen Wagen und schoss durch den aufspritzenden Schlamm davon.
Alle stiegen wieder ein, und schlingernd setzte sich auch ihr Gefährt in Bewegung. Über Krokodile redeten sie nicht mehr.
Ihre Bedenken waren überflüssig gewesen, sie durchquerten den Fluss sicher, trotz strömenden Regens, und die zwei Panzerechsen, die in einiger Entfernung am Ufer lagen, rührten sich nicht. Zwei Stunden später bogen sie von der Buschpiste ab und hielten alsbald vor einem weitläufigen, riedgedeckten Haus, das hell erleuchtet vor ihnen lag. Jill sprang
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