Ins dunkle Herz Afrikas
Kleidung frisch gewaschen und gebügelt in ihren Zimmern. Sie zogen sich um und brachen auf. Es hatte aufgehört zu regnen, die Straßen waren befahrbar. Bläuliche Feuchtigkeitsschleier verdunsteten in der rasch steigenden Sonne, und bald war der Himmel klar und hoch und tiefblau, die fedrigen Wolken über dem Horizont, zart wie hingewischte Pinselstriche,
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wurden rasch von einem kräftigen Seewind zerrissen, der sich allmählich zu einer leichten Brise abschwächte.
Tita empfing sie vor dem Haus. Ohne ein Wort zu sagen, fielen sich die Freundinnen in die Arme. Eng umschlungen gingen sie hinaus auf die Terrasse, wo bereits der Mittagstisch gedeckt war. Sie setzten sich. »Erzähl«, sagte Tita, »von Anfang an.«
Die Gespräche rund um den Tisch erstarben, Henrietta bemerkte, wie Julia die Hand von Karsten ergriff und Jan seine auf den Arm lans legte. Alle sahen sie erwartungsvoll an.
Nein, es geht noch nicht, antwortete sie ihr schweigend, ich will eigentlich überhaupt nicht darüber sprechen. Ich will es vergessen, aus meinen Gedanken entfernen. Für immer. Aber es gab Dinge, die alle wissen mussten.
»Die Entführung galt eigentlich dir, Tita«, begann sie und erzählte ihnen von dem Verdacht der Zulus hinsichtlich des FORLISA-Saftes.
Schock zeichnete Titas Gesicht. »Die sind ja völlig verrückt geworden! Neu, wir müssen mehr Wachen haben«, verlangte sie mit offensichtlicher Panik, »und die Kinder brauchen auch zumindest Nachtwachen. Wer weiß, was den Verbrechern noch einfällt. Denk an Sammy und Nino!«
Neu nickte, auch deutlich besorgt. »Du wirst keinen Schritt mehr ohne Twotimes machen, und ich werde vom Sicherheitsdienst zusätzliche Wachen für den Tag anfordern. Nachts rennen ja schon vier Leute mit ihren Hunden hier herum.«
»Ich hab ja genug Zeit gehabt nachzudenken.« Henrietta nagte nachdenklich an ihrem Zeigefinger. »Die einzige Erklärung wäre, dass Dr. Braunle vergiftete Flaschen liefert oder dass hier im Hafen Gift hinzugefügt worden ist. Die Möglichkeit aber hätte ...« »... nur die Polizei«, ergänzte Neu grimmig.
»Diese Schweine. Ich werde Proben untersuchen lassen, einige nehmt ihr mit nach Deutschland und lasst sie dort testen, und dann vergleichen wir die Ergebnisse.« »Und Jeremy?«, fragte Tita. »Wo ist er - und unser Wagen?«
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»Jeremy ist tot«, begann sie, und dann erzählte sie alles - fast alles. Über Sarahs Verschwinden sprach sie nicht und auch nicht darüber, was Mary mit emveni gemeint hatte. Keiner unterbrach sie, und als sie endlich die Geschichte zu Ende gebracht hatte, sprach niemand für eine Weile, als mussten alle erst einmal verdauen, was sie da vernommen hatten.
Tita berührte den Hals ihrer Freundin, der blaurote Würgemale trug. »Ich erwarte Anita Allessandro jeden Moment. Sie kommt, um dich und Susi zu untersuchen. - Ist - ist noch etwas anderes passiert?« Ihren angstvollen Augen war anzusehen, woran sie dachte bei dieser Frage.
lan fuhr hoch, hörte auf zu atmen. Totenstille herrschte am Tisch, alle Blicke ruhten auf ihr.
Ihre Hand flog zu den Würgemalen. Sie roch plötzlich Rauch und scharfen Schweiß, aber es gelang ihr, die aufsteigende Erinnerung zu verdrängen.
»Nein«, antwortete sie, »nein.«
lan zog rasselnd Luft ein und nahm sie wortlos in den Arm. Sie fühlte seine eiskalten Hände. Er weiß es, dachte sie, er weiß, dass mir etwas passiert ist, das ich nicht in Worte kleiden will. Ein paar Augenblicke saßen sie so. »Es ist gut«, wisperte sie, nur für ihn hörbar, »sie haben es nicht geschafft.«
Danach berührte keiner von ihnen mehr die vergangenen vier Tage. Dazu war es noch zu früh. Nur einmal fragte sie nach dem Datum. »Es ist der vierte Januar heute«, antwortete lan, der offensichtlich genau wusste, warum sie das fragte.
»Wir haben noch mehr als vier-undzwanzig Stunden, eine Ewigkeit.«
Für einen Moment schloss sie die Augen, dann nickte sie, sagte aber nichts, und niemand erwähnte mehr ihre Abreise. Nach dem Lunch liehen sich Julia, Karsten und Jan Titas Auto aus und fuhren nach Umhlanga. »Wir wollen auf den Spuren unserer Kindheit wandeln und im Meer schwimmen«, sagte Jan. Wenig später kam Susi aus dem Krankenhaus, wo Ron lag. »Es geht ihm schon viel besser. Er lässt euch alle grüßen«, berichtete sie strahlend vor Glück und ging, um sich umzuziehen.
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Die Nachmittagshitze, die wie eine Glocke über dem Land lag, und die extreme Luftfeuchtigkeit machten jede körperliche
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