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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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Schulterklappen seiner Jacke. »Wo ist Ihr Mann?«, bellte er. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, bevor es hart und schmerzhaft ge-383
    gen ihre Rippen hämmerte. Was wollte dieser Mann von lan? lan konnte doch unmöglich etwas mit dem Tod des Wildhüters zu tun haben! Oder? Der Zeitungsausschnitt, auf dem sie das Bild Koos Potgieters gesehen hatte, war von 1979, der Wildhüter wurde da seit fast elf Jahren vermisst - sie rechnete nach - also seit Anfang 1968, etwa seit der Zeit, als lan fliehen musste. Seit jenen sieben Tagen, von denen er nie sprach. Ihre Nackenhaare sträubten sich, sie brach in Schweiß aus, aber sie nahm sich Zeit mit der Antwort, drängte ihre aufflackernde Angst zurück, wartete, bis sie sich so unter Kontrolle hatte, dass ihre Stimme ruhig klang. »Warum fragen Sie, was wollen Sie von meinem Mann?«
    »Er hat meinen Sohn ermordet, und jetzt wird er dafür zu Rechenschaft gezogen.«
    Ihr Magen krampfte sich zusammen, aber es gelang ihr, die Empörte zu spielen.
    »Ermordet? Das ist völliger Unsinn!«, rief sie, »mein Mann kann niemandem etwas zu Leide tun!« Seltsamerweise fühlte sie so etwas wie Erleichterung, denn das wusste sie genau, nie könnte lan, ihr lan, einen anderen Menschen vom Leben zum Tode befördern. Ganz und gar unmöglich.
    lan trat an den Tisch, ein Tablett mit dampfenden Tassen und Gebäck in der Hand balancierend. Sein Blick sprang von ihr zu dem Mann, dann wieder zu ihr, und langsam stellte er das Tablett ab. »Hab ich Sie endlich, Sie Mörder! Sie haben meinen Sohn getötet«, sagte Mr. Potgieter ruhig, »Sie kommen hier nicht weg!« lan antwortete nicht gleich. Er stellte Henrietta eine Tasse Kaffee hin, legte das Gebäck dazu, eine Hefeschnecke mit Rosinen, und berührte ganz kurz ihre Hand. »Hab keine Angst«, sagte er halblaut in Deutsch. »Wie kommen Sie darauf, dass ich Ihren Sohn ermordet habe? Wer sind Sie, wer war er?« Er setzte sich, trank einen Schluck seines Kaffees und wirkte sehr gelassen.
    »Mein Name ist Potgieter. Ich bin ...«, ein kurzes Zögern, »ich war Polizeibeamter. Mein Sohn war Wildhüter und verschwand 1968 auf einem seiner Kontrollgänge im Norden Zululands. 1979 kam seine 384
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    Leiche während einer Dürreperiode, in der die Flüsse fast austrockneten, in der Uferzone eines Nebenarms des Pongola zum Vorschein. Ein Krokodil musste ihn erwischt haben, aber vorher hat ihn jemand erschossen, seine untere Gesichtshälfte war zertrümmert. Er war unser einziges Kind, meine Frau hat nie aufgehört, auf ihn zu warten, und ist darüber wahnsinnig geworden.« Es dauerte eine Weile, bis er weitersprechen konnte. »Ich habe damals einen Schwur abgelegt - seinen Mörder zu finden, und wenn es bis zum Ende meiner Tage dauert. Jahrelang bin ich nicht weitergekommen, aber dann fingen wir einen ANC-Aktivisten. Er brauchte etwas Überredung, um mit der Sprache herauszurücken, aber letztendlich hat er uns alles erzählt.«
    Sein Mund war gerade und hart, als er das sagte, und Henrietta hatte eine plastische Vorstellung von seinen Uberredungsmethoden. Verstohlen blickte sie zu lan. Die Sprache seiner Hände, die die Kaffeetasse umklammerten, ließen sie vermuten, dass er genau wusste, was dieser Mann meinte. Sie löste seine Rechte vom Becher. Sie lag kalt und feucht, wie leblos, in ihrer.
    »Er war einer der Männer, die Sie nach Mosambik gebracht haben. Am 23. März 1968 übergab er sie einem anderen, der auch nie wieder aufgetaucht ist. Ich will jetzt wissen, was sich damals zugetragen hat, ich will wissen, wie Sie meinen Sohn getötet haben. Ich nehme an, auch den ANC-Typen haben Sie auf dem Gewissen!« Mr. Potgieter legte beide Arme auf den Tisch, öffnete sein Jacke kurz, und der Knauf einer Pistole wurde sichtbar.
    Henrietta zog zischend die Luft ein. Ihr erster Impuls war, zum nächsten Telefon zu rennen und Tita anzurufen. Daddy Kappenhofers Wunder waren manchmal durchaus nützlich, und der Gedanke an eine Schar beflissener Anwälte war ungemein beruhigend in dieser Situation. Sie stand auf.
    »Hinsetzen!«, befahl Mr. Potgieter mit einer Stimme, die jahrzehntelanges Kommandieren zu einer Schärfe geschliffen hatte, dass sie tatsächlich zurückzuckte, als hätte er sie geschnitten. Sie sank zurück auf den harten Plastikstuhl.
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    »Ich habe Ihren Sohn sterben sehen, Mr. Potgieter, aber ich bin nicht schuld an seinem Tod. Es war ein Unfall«, antwortete lan ruhig und hielt diesem kalten, blauen Blick stand. »Wie haben Sie mich

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