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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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veranlasste, auf der Stelle ihren Wünschen zu entsprechen. Sie stand auf, jeder Zoll eine Dame, obwohl sie nur ein hauchdünnes Chasuble über ihrem Bikini trug. Diesen Ton schien auch Ralf zu verstehen. Er strich sich die verschwitzten blonden Haare zurück, fuhr mit dem Finger in den Hemdkragen, wollte offenbar etwas erwidern, ließ es aber dann. »Wir sprechen uns noch!«, versprach er seiner Frau drohend und ging den Weg hinaus, den er gekommen war. Susi warf sich in Henriettas Arme und schluchzte mit Hingabe. »Ich hab's geschafft, ich hab's gewagt - ich bin so glücklich! Danke«, flüsterte sie, »ich dank euch so sehr.«
    Ein allerletztes Mal saß sie auf ihrem Felsen, lan neben ihr. »Ich wünschte, es würde regnen«, sagte sie, und ihr Blick verlor sich in dem endlosen Blau über ihr, »ich wünschte, es wäre kalt und dunkel.« Ich wünschte, der Abschied würde nicht so verdammt wehtun. Das dachte sie nur, das sagte sie nicht. Sie hatte den Eindruck, dass lan das nicht mehr ertragen könnte. Er war sehr schweigsam geworden in den letzten Stunden, und sie war sich nicht sicher, ob auch er Abschied nahm oder ob er nicht erwarten konnte, fort von hier zu sein, weg, in Deutschland. In Sicherheit.
    Als es Zeit war, stiegen sie hinunter, gingen, einander fest an der Hand haltend, aber ohne viel Worte zu wechseln, durch die auslaufenden Wellen den Strand hinauf und dann den schmalen, gepflasterten Weg zwischen zwei Apartmenthotels vorbei zur Straße, wo sie Titas Wagen geparkt hatten.
    Zwei junge Männer mit alten, harten Gesichtern, Schwarze, lehnten in einer engen Biegung an der weiß gekalkten Mauer, die Beine in 376
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    den Weg gestreckt. Henrietta verlangsamte ihr Tempo nicht. In dem weißen Südafrika, in dem sie einst gelebt hatte, hätten die beiden jungen Männer ihre Beine rechtzeitig zurückgezogen, sich schmal gemacht, damit Weiße bequem an ihnen hätten vorbeigehen können. Sie zogen sie nicht zurück, und sie und lan hielten an. Die Augen der Zulus waren schwarze Löcher, durch die sie geradewegs ins Inferno zu schauen meinte. Sie senkte ihre nicht, das wäre ein Zeichen der Unterwerfung gewesen. »Sanibona, ich grüße euch«, sagte sie lächelnd.
    Kein Antwortlächeln.
    Die Brandung war hier ein gleichmäßiges Donnern, gefangen zwischen den Mauern, die den Wind abhielten, die Hitze speicherten und die auch sie und lan gefangen hielten. Gerade zwei Schritte trennten sie von den Schwarzen.
    Natürlich hätten sie umdrehen können, den Weg zum Strand zurückgehen, aber sie rührten sich nicht. Sie fing den Blick des einen auf, der über lan lief, offenbar seine Kraft abschätzend. »Die Sonne ist heiß heute, sie macht Durst.«
    Ihr Zulu war langsam und inkorrekt.
    »Warum sprechen Sie nicht Englisch mit uns?«, knurrte der eine, dessen Haare hochgezwirbelt waren, dass sie seinen Kopf auf fran-kensteinsche Dimensionen verlängerten. »Halten Sie uns für zu dumm?« Er hatte sich aufgerichtet, und sie bemerkte, dass er fast so groß war wie lan.
    Sie lächelte. »Wie kann ich Sie für dumm halten, wenn ich Sie nicht kenne?«
    Auch sie war ins Englische gewechselt. »Ich versuchte, höflich zu sein, Sie zu grüßen, wie ich es von dem gelernt habe, der es mir beigebracht hat. Vilikazi heißt er und ist ein guter Freund von uns. Seine Tochter Imbali ist wie meine eigene.« Sie sagte es, nicht sicher, ob der Name Imbali, der einmal für Mut und Widerstand gegen die Übermacht des Polizeistaates stand, noch im Bewusstsein ihrer Leute lebendig war. Es war ja über dreizehn Jahre her. Der Große lockerte seine Haltung, fast unmerklich, aber sie registrierte es.
    »Imbali - eh? Inyoka.« Halblaut sagte er ein paar Worte zu seinem Freund, unverständlich für sie. »Yebo«, sagte er dann, »Sani-378
    bona, ich grüße euch.« Ein langsames Lächeln verwandelte sein Gesicht.
    »Usaphila na? Geht es dir noch gut?«
    »Yebo«, lachte Henrietta, das vorgeschriebene Ritual der Begrüßung vollendend,
    »yebo, mir geht es noch gut.« Sie sprachen über das Wetter, die Regenfalle in Zululand, die die Felder überschwemmt hatten und die Ernte vernichtet, die Schwierigkeit der beiden, einen Job zu finden, und wie das Wetter im fernen Deutschland war. »Steckt euren Kopf in die Tiefkühltruhe, dann werdet ihr es spüren!«
    Ungläubiges Lachen. »Tiefkühltruhe - hoho, und ein Meer, das zu Eis wird. Wie ist der Regen dann, wenn es kalt ist wie in einer Tiefkühltruhe - hart?« Ein Lachen erklang, wie das

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