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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Gebirge von weißlichem Brei ragte aus einer gelben Soße. »Mit Erd-297
    nussbuttersoße - dein Geburtstagsfrühstück, Henrietta! Herzlichen Glückwunsch zum Fünfzigsten! - Happy Birthday to you ...«, sang sie.
    »Oh, sei bloß ruhig«, murmelte Henrietta und sehnte sich nach lan. Fünfzig Jahre lagen hinter ihr, siebenundzwanzig davon hatte sie mit ihm geteilt, mehr als die Hälfte ihres Lebens, so lange, dass sie sich kaum erinnern konnte, wie es ohne ihn gewesen war. Pack mich nicht in Watte, das waren ihre letzten Worte zu ihm gewesen, und sie hatte gemeint, ich brauch dich nicht. Ein kühler Hauch strich über ihre Haut. Ihre letzten Worte?
    Wie Wunden brannten diese Worte, und alles würde sie dafür geben, sie ungesagt zu machen. Sie schloss ihre Augen und spürte ihn, roch ihn, hörte seine wunderbare Stimme ihren Namen sagen, in diesem intimen Ton, der nur ihr galt.
    Mit jeder Faser sehnte sie sich nach ihm, wünschte sich seine Hände auf ihrer Haut, wünschte sich, in seinem KUSS zu ertrinken.
    Es werden nicht meine letzten Worte für dich sein, schwor sie ihm, du bist mein Leben! Pulsierende Wärme lief vom Zentrum ihres Körpers ihre Nerven entlang, entlockte ihr ein unwillkürliches Stöhnen. Sie schlug ertappt die Augen auf, unsicher, ob ihr die anderen diese Gedanken vom Gesicht ablesen konnten. Aber, nein, sie lächelten ihr unbefangen zu.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte dann auch Susi und gab ihr einen schüchternen KUSS, »das Champagnerfrühstück holen wir nach. Na ja, Erdnussbutter ist wenigstens nahrhaft, ich hab brüllenden Hunger!« Sie langte mit den Fingern in die Soße und erwischte etwas Weiches, das wie eine längliche, fingerdicke, bräunliche Nudel aussah. Sie kostete. »Scheinen Nudeln oder so etwas zu sein, oder Gum-mibärchen.« Sie kicherte überdreht. »Gummibärchen in Erdnuss-soße.
    Aber sie schmecken ziemlich streng.«
    »Mopane-Raupen«, sagte Henrietta trocken und verstand jetzt Ma-rys unangenehmes Grinsen, »heißen so, weil sie auf Mopane-Büschen leben.«
    »Raupen!«, schrie Susi und spuckte alles aus.
    »Du wirst nicht davon sterben«, bemerkte sie und konnte eine gewisse Schadenfreude nicht unterdrücken, Susi forderte das einfach heraus, »die essen alle hier Mopane-Raupen. Die Büsche wachsen in der Gegend vom Krügerpark, hier kann man sie getrocknet kaufen. Ich kenn sogar ein Rezept dafür. Man salzt und pfeffert sie, wälzt sie in Mehl und brät sie schwimmend in Öl. Außerdem - was ist der Unterschied zu Shrimps, die sind auch weich und sehen aus wie Würmer«, setzte sie boshaft hinzu und nahm ein wenig von dem steifen Maisbrei. Die Raupen ließ sie liegen. »Kann ich nicht vertragen, ich krieg rote Pusteln davon.«
    »Halt dir die Nase zu, Susi, und würg sie runter«, riet Isabella und tat genau das. »Bah!« Sie schüttelte sich. »Aber ich muss was essen, sonst fall ich um.«
    »Das sind Proteinbomben«, kaute Ron. »Komm, Susi, du brauchst was im Magen, wer weiß, wann wir die nächste Mahlzeit bekommen. Iss wenigstens den Brei.«
    Susi schüttelte sich nur. Ein paar Brocken des steifen Breis aß sie jedoch auch, und zum Schluss war die Schüssel leer. Der Regen verstärkte sich noch.
    Henrietta saß am Eingang und starrte hinaus. Die Sehkraft ihres linken Auges war fast vollständig zurückgekehrt, und der Grad ihrer Erleichterung zeigte ihr, welche Sorgen sie sich insgeheim gemacht hatte.
    »Bei so einem Wolkenbruch ist vor Jahren einmal fast mein erstes eigenes Haus den Abhang hinuntergespült worden«, erzählte sie, »Wasser und Schlamm standen meterhoch in den Räumen, die Fundamente wackelten, die Elektrizität fiel für Tage aus, Schlangen schwammen in meinem Wohnzimmer herum, sie kamen von den Zuckerrohrfeldern herunter, ein paar davon ringelten sich um die Balustrade meiner Veranda, und eine Ratte sauste unter mein Bett, wo bereits eine Schlange saß. Die Schlange hat überlebt.« Sie schüttelte sich. »Wochenlang bin ich ständig unters Bett gekrochen, um nachzusehen, ob sich eine dort versteckt.«
    Susi lehnte, die Beine angezogen, Arme um die Knie geschlungen, hinten an der Wand. »Wie kann man nur in diesem Land leben«, la-298
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    mentierte sie, »wieso bin ich Idiot nicht in Hamburg geblieben. Da wäre es jetzt schön kalt, und ich würde an meinem Kamin sitzen und Glühwein trinken, und abends würde ich meinen neuen Nerz anziehen, in ein gutes Restaurant gehen und literweise Champagner bestellen.« Sie schniefte. »Innerhalb

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