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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Wirklichkeit.
    Dann begriff sie, was Tita ihr gesagt hatte. Es war ein klirrend kalter Wintertag, vier Uhr nachmittags und schon dunkel, doch plötzlich ging die Sonne auf, Blumen erblühten, Vögel jubilierten, Musik erfüllte die Luft. Ihr stürzten die Tränen aus den Augen, eine heiße 43
    Welle überschwemmte sie bis in die kleinsten Nervenverästelungen, färbte ihr Gesicht hochrot.
    Als lan ins Zimmer kam, erschrak er fürchterlich, bis sie ihm erzählte, dass du Toit versucht hatte, seine Schwester zu töten, und dass nun alles wieder gut wäre und sie wieder nach Afrika zurückkehren durften, und dann sah sie, dass auch seine Augen glänzten.
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    September 1972 -Afrika!
    Am Dienstag, den 5. September 1972 standen sie wieder auf der Terrasse ihres Hauses in Umhlanga Rocks. Sie schob ihre Hand in die ihres Mannes und hielt sie fest. Sie atmete nur ganz flach, sonst würde sie sicherlich platzen vor Glück. Sie war wieder zu Hause. Es war der erste Moment seit Jahren, in dem das Karussell ihrer Gedanken aufhörte, sich zu drehen, stillstand und ihr erlaubte, nur zu fühlen. Lange stand sie so, und erst als sie alles gefühlt, gerochen, in sich aufgenommen hatte, kehrte sie ins Jetzt zurück. Die Kinder rannten wie aufgeregte kleine Hunde hierhin und dorthin, durch den Garten, um den Swimmingpool, in die Kinderzimmer hinauf, auf die Schlafzimmerterrasse.
    Dort oben stand Julia, ein Scherenschnitt gegen den gleißenden afrikanischen Himmel, und schnupperte mit geschlossenen Augen die Luft. »Ich erinnere mich an diesen Geruch.« Sie öffnete ihre Augen, lachte herunter zu ihr. »Es riecht nach Karamell - was ist es?«
    »Brennendes Zuckerrohr. Die Felder liegen hinter den Hügeln ein paar Hundert Meter im Land. Nachher wird hier alles voller Ruß sein.«
    »Und wenn das da hinten herunterkommt, gibt's eine schöne Schmiererei«, prophezeite lan und deutete nach Süden. Über Dur-ban schob sich eine dunkelgraue Wolkenbank, kam hinter dem Bluff hoch, einem langen Hügelrücken, der wie ein schützender Arm um Durbans Hafen lag, und baute sich drohend über den weißen Häusern der Marine Parade auf. »Die ersten Frühlingsstürme«, rief er, »seht euch das an!«
    Eine Orkanböe fegte unaufhaltsam die Küste entlang und zog eine Spur von Verwüstung hinter sich her. Palmen wurden zu Boden ge-45
    peitscht, Stücke eines Wellblechdaches segelten durch die Luft, Zweige, Blätter, Papierfetzen wirbelten herum, das Meer kochte. In Umhlanga Rocks jedoch herrschte noch das schönste, ruhige Wetter.
    »Die erwischt uns auch, ab ins Haus!«, rief sie und schob ihre Kinder eiligst vor sich her.
    »Aber das ist doch nur Wind«, wehrte sich Julia, »warum kann ich nicht draußen bleiben?«
    »Weil das hier Afrika ist und so ein afrikanischer Wind dich hochheben und davontragen kann wie einen Ballon, und dann segelst du in die Welt hinaus, sehr weit weg, und irgendwo setzt er dich dann wieder ab, vielleicht in Feuerland oder im Himalaya oder in Papua bei den Menschenfressern - und wie kommst du dann zurück zu uns?« lan machte ein todernstes Gesicht, nur seine violetten Augen zwinkerten.
    »Oh, Daddy«, seufzte Julia und verdrehte die Augen. Aber sie ging folgsam ins Haus.
    »Wird das ein schlimmer Sturm, mit viel Regen?«, fragte der neunjährige Jan hoffnungsvoll. »Kommt das Wasser dann den Hügel herunter und in unser Haus?
    Und schwimmen dann lauter Schlangen und Ratten darin rum, wie in deinem Donga-Haus, Mami? Was ist eine Donga?«
    Das Donga-Haus! Das kleine Haus am Hang über dem Meer, ihr erstes Haus, von ihrem ersten eigenen Geld gekauft. Das Haus der ersten Jahre mit lan und den Kindern. »Nein, Schatz, dieses Haus ist nicht auf einer Donga gebaut, es steht auf solidem Grund.« Nie würde sie vergessen, wie sie bei dem Kauf des Donga-Hauses vor zwölf Jahren hereingelegt worden war. Pops Ferguson, dem Großvater von Diamanta Daniels, ihrer Freundin, hatte es gehört. Alle hatten gewusst, dass es das nächste große Unwetter nicht überstehen würde. Keiner hatte sie gewarnt, und als sich in einem sintflutartigen Regen die schlammigen Wassermassen durch das Haus wälzten, die Stützpfeiler unterspülten, hatte sie nicht geglaubt, es retten zu können. »Eine Donga ist eine natürliche Vertiefung in einem Ab-46
    hang, wie eine Mulde, wo sich bei Regen das Wasser, das die umliegenden Hänge herunterläuft, sammelt. Dieses Haus steht auf einer Kuppe, kein noch so starker Regen kann ihm gefährlich werden.«
    Jan schob

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