Ins Eis: Roman (German Edition)
entschuldigen, das sei die einzig vernünftige Entscheidung, und die Damen wären entzückt über seine Begleitung auf ihrer Tour.
»Ich fürchte nur, mein Hundeteam wird enttäuscht sein. Die waren gestern so unglaublich heiß aufs Laufen, vor allem dieser Leitrüde, Nordy, der hat es mir echt angetan.«
»Du hattest Nordy und Vega als Leithunde?«, fragte Kirsten. »Das war vor ein paar Tagen auch mein Team.«
»Jetzt sind sie wohl niemandes Team mehr. Die werden ein paar ruhige Tage in ihrem Zwinger genießen.«
»Sie werden sich langweilen«, sagte Kirsten und begriff im selben Moment, dass sie von sich selbst sprach.
Monika hatte angefangen, leise Vogelrufe nachzuahmen. Kirsten ließ den zappelnden Jonas von ihrem Schoß gleiten. Wie magisch angezogen trappelte der Junge auf seine Patentante zu. In Sachen Pfeifen, Trillern und Tierimitationen aller Art war Monika seine größte Heldin. Der Rest der Familie diskutierte indes weiter Peters Rückenleiden. Namen in Köln ansässiger Chiropraktiker, Osteopathen und Akkupunkteure flogen wie Pingpongbälle über den Tisch. Hartmut hantierte unter dem Tisch, kurz darauf wanderte eine weiße Pastille in seinen Mund. Kirsten hatte schon vorher bemerkt, dass er ein Husten unterdrückte.
»Wenn du erkältet bist, sind die Hundeschlittenfahrt und das Zelten vielleicht auch für dich nicht das beste Programm«, sagte Kirsten zu ihm. »Nicht dass du dir noch eine Lungenentzündung holst.«
»Ich bin nicht erkältet, das ist nur ein Reiz. Das braucht dich nicht zu bekümmern.« Die Worte kamen unangemessen heftig heraus, fast böse. Kirsten hob beide Hände in beschwichtigender Geste, aber Hartmut hatte sich bereits von ihr abgewandt. Nachdenklich reichte Kirsten Monika eine Serviette, um die Spucke aufzufangen, die Jonas bei seinen Pfeifversuchen produzierte. Als sie aus dem Fenster schaute, fuhr draußen auf der Straße ein Auto mit zwei weißen Huskys auf der Ladefläche vorbei. Selbst auf die Entfernung hin konnte sie sehen, wie einer der Hunde gähnte. Unvermittelt spürte sie den rein körperlichen Drang, ihre Finger in dichtes Fell zu graben, zu fühlen, wie sich gespannte Muskeln gegen ihren Körper drängten, einmal mehr in ihrem Leben mit Tieren zu arbeiten. Die Reiterei war zu lange her.
Fredrik hatte sich in der Zwischenzeit mit Peters Entscheidung abgefunden und griff nach seinem Handy, um Oda anzurufen und sie über die Planänderung zu informieren. Er hatte noch nicht fertig gewählt, da platzte es aus Kirsten heraus: »Ich könnte doch auf die Hundeschlittentour mitgehen.«
Monikas letztes Zwitschern verklang, alle starrten Kirsten perplex an. Nur Jonas machte »ffffüfffüffffü«.
»Das wäre doch für alle am einfachsten. Dann könnte Peter meinen Platz auf der Damentour einnehmen, und niemand muss irgendetwas umplanen.«
»Was ist mit Jonas?«, fragte Fredrik. »Wir werden bis zu sieben Stunden am Tag unterwegs sein, das ist zu lang für den Jungen.«
Kirsten blickte Monika an. Mit einem Mal war sie ganz aufgeregt, wie früher vor einem Rennen, wenn sie am Start gestanden hatte, darauf brennend, dass die Startbox sich endlich öffnete. Monika fiel es nicht schwer zu erraten, worum Kirsten sie stumm bat. Sie lachte, wuschelte Jonas durch das Haar und fragte: »Na, was meinst du, Großer? Halten wir beide es bis morgen Abend ohne deine Mama aus? Vielleicht reicht die Zeit sogar, um dir das Pfeifen auf zwei Fingern beizubringen.«
»Pfeifen auf Fingern?«, wiederholte Jonas entzückt und riss beide Hände hoch, um sie eingehend zu begutachten. »Auf welchen?«
Kirsten zögerte nicht länger. Sie warf ihren angebissenen Toast zurück auf den Teller und sprang auf. Ihr breites Grinsen traf auf Fredriks strengen Blick. Fredrik ließ sie noch einen Moment lang zappeln, dann tippte er auf das Ziffernblatt seiner Uhr. »In einer Stunde geht es los.«
»Das langt mir dreimal!« Kirsten schoss los wie früher als junges Mädchen auf den Weg zu den Pferdeställen. Sie brauchte fünfunddreißig Minuten, um zu packen, zeigte Monika, wo sie Jonas’ Sachen fand, versprach ihrem etwas überrumpelten Sohn, ihn am nächsten Abend mit Bridgestone fahren zu lassen, was seinem Schmollen ein sofortiges Ende setzte, und war sogar die Erste auf dem Parkplatz, wo Tim bereits mit dem Bus wartete.
»Als Fredrik angerufen hat, um zu sagen, dass statt eines Herrn eine Dame mitkommt, dachte ich mir gleich, dass du das wärst«, begrüßte er sie.
»Tja, die egoistische
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