Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
arbeiten – das war schon klar, als ich den ersten Gartenzwerg aufgestellt habe. Deshalb habe ich mich doch überall beworben und alles über Porzellanmanufakturen gelesen, was ich kriegen konnte, damit ich gut vorbereitet bin. Heute hätte ich einen Vorstellungstermin für ein Praktikum. Bei der KPM Berlin, als Porzellanmaler. Die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, verstehst du? Das ist die Königsklasse. Es wäre meine Chance gewesen, hier wegzukommen. Deshalb bin ich gestern Abend einfach los. Ich habe gehofft, dass ich schnell zurück sein kann und niemand meine Abwesenheit bemerkt. Die Hunde wären bei Julius in besten Händen gewesen. Der hätte mich nicht verraten.«
Ich werde Christabel bitten, in Berlin ein gutes Wort für ihn einzulegen, auch wenn es gegen ihre Interessen ist, nahm Pippa sich vor, schließlich hat sie Kontakte.
»Hast du nicht angerufen und Bescheid gesagt, dass du verhindert bist?«, fragte sie.
»Und was soll ich denen bitte sagen? Falls Frau Gerstenknecht mich nicht wegen Werksspionage anzeigt, melde ich mich wieder? So etwas vielleicht?« Er seufzte. »Ich kann doch Christabel sowieso nie wieder in die Augen sehen.«
»Sprich doch noch mal mit ihr.«
»Ich wüsste nicht, was das bringen soll. Ich habe sie angelogen und hintergangen. Das ist unverzeihlich.«
»Aber doch nur, weil Hollweg dich erpresst hat! Loyalität ist eben nicht teilbar, und du wolltest deiner Mutter einen strahlenden Hochzeitstag ermöglichen.«
Florian schnaubte verächtlich. »Was gründlich in die Hose gegangen ist.«
»Was hat es eigentlich mit dieser Telefonnummer vom Kerala Moon Resort wirklich auf sich?«, fragte Pippa, um ihn abzulenken.
»Es ist genauso, wie du vermutet hast: die Nummer einer Alibiagentur. Ich bekam sie für den Fall, dass jemand meine Mutter unbedingt erreichen will. Die Agentur sollte jeden Anrufer abwimmeln und meiner Mutter bei Gefahr im Verzug Bescheid geben.«
»Ganz schöner Aufwand.«
Florian zuckte mit den Achseln. »Mir hat diese Heimlichtuerei auch nicht gefallen, aber was sollte ich machen? Ich gönnte den beiden die gemeinsame Zeit.«
»Wie lange ist deine Mutter schon mit Severin zusammen?«
»Seit über zwei Jahren.«
»Zwei Jahre Heimlichtuerei, das muss doch ungeheuer belasten. Wieso haben sie nicht einfach alles erzählt? Das wäre doch …«
Florian unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Mama wollte eigentlich erst heiraten, wenn Christabel nicht mehr … ist. Sie wollte ihr nicht das Gefühl geben, allein gelassen zu werden. Christabel hat sie damals nach meiner Geburt aufgenommen und ihr geholfen, immer wieder. Deshalb hat sie sich verpflichtet gefühlt.«
»So viel Loyalität, so wenig Vertrauen – vor allem in sich selbst«, sagte Pippa bestürzt. »Aber warum haben die beiden dann nicht einfach noch gewartet?«
»Ging nicht«, murmelte Florian und starrte auf den Boden.
»Herrje, hier geht es zu wie bei Lady Chatterley.« Pippa stöhnte. »Der Erste verheimlicht etwas, um den Nächsten zu schützen, und der wiederum erzählt auch nur die Hälfte der Wahrheit, damit letztendlich die Dritte heimlich ein eheliches Kind bekommen könnte, wenn sie wollte …«
Florian wurde stocksteif und starrte Pippa entsetzt an. »Von wem weißt du das? Nicht von mir! Ich habe dichtgehalten!«
Pippa runzelte die Stirn, dann fing sie an zu lachen. »Wie sagt Christabel so schön: Gute Literatur ordnet alles und findet für alles eine Lösung. In ihr ist alles schon mal da gewesen.«
Er sah sie verwundert an, und Pippa erklärte ihm, dass sie nur das Durcheinander der Geheimnisse gemeint hatte – ohne zu wissen, dass sie mitten ins Schwarze traf. »Das erklärt also die Eile: Deine Mutter ist schwanger.«
»Und diesmal sollte das Kind eben auch einen Vater haben.« Plötzlich grinste er. » Der kleine, uneheliche Florian ist endlich volljährig, und jetzt werde ich nie wieder ein Wort mit Frau Pallkötter sprechen , hat sie gesagt, nie wieder und unter keinen Umständen trete ich noch einmal über die Schwelle dieses Jugendamtes. «
»Aber wieso ausgerechnet Alaska? Hätten die beiden nicht auch hier unerkannt heiraten können?«
Florian schüttelte den Kopf. »Jeder, der heiraten will, muss ein Aufgebot bestellen. Das Standesamt liegt Tür an Tür mit unserem Jugendamt. Wie lange, glaubst du, hätte es gedauert, bis das gesamte Storchendreieck davon gewusst hätte? In Alaska konnten die beiden eine Heiratslizenz beantragen und drei Werktage später
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