Ins Leben zurückgerufen
Besseres hab ich seit meiner Ankunft nicht erlebt!«
»Das ist kaum zu glauben, Andy. Ich hätte gedacht, jemandem, der so wohlsituiert ist wie Sie, liefe das Glück hinterher.«
Beim Sprechen sah sie ihn heißblütig an und ließ ihre geschmeidige Zunge die Grand-Prix-Runde ihrer Lippen abfahren.
Dalziel betrachtete sie nachdenklich, die mit Corned beef vollgetürmte Gabel auf dem Weg zum Mund. Okay, er mußte einräumen, daß er scharf auf sie war. Aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, mit ihm umzuspringen, wie sie wollte, nur weil sie sich hier, unter Leuten, sicher fühlte. Es war Zeit, die Hosen runterzulassen, sozusagen.
Er fuhr einen weiteren Ballen Corned beef in die Scheuer und legte seine freie Hand um ihren Oberschenkel.
»Etwas verloren, Andy?« fragte sie.
»Ich hab mich gerade gefragt, was es wohl zum Nachtisch gibt.«
»Irgendwelche speziellen Wünsche?«
»Wir könnten in mein Hotel gehen und den Zimmerservice ausprobieren.«
Er dachte, daß er das ganz schön pfiffig formuliert hatte. In Barnsley hätte er damit wahrscheinlich einen Preis gewonnen. Doch das schlichte Gemüt neben ihm warf den Kopf in den Nacken und wieherte vor Lachen.
»Nennt man das jetzt so in England? Nun, warum nicht? Man kann einen nassen Nachmittag mit Sicherheit schlechter verbringen.«
Welches Motiv sie auch gehabt haben mochte, sie war in jeder Hinsicht großzügig. Er war froh, daß er keine Nachwirkungen der Zeitverschiebung verspürte. Ganz im Gegenteil, es erging ihm wie dem Abbrucharbeiter, der eine etwas ältere Stange Plastiksprengstoff der Hitze aussetzen wollte, er mußte sich vorsehen, daß es nicht zu einer Spontanexplosion kam.
»Nun mach aber mal langsam, Dalziel!« protestierte sie. »Hast du noch ’ne Verabredung oder was?«
»Ich dachte, das sei hier so üblich«, machte er, völlig untypisch für ihn, einen auf unbekümmert. »Sozusagen American Express.«
»Schuster, bleib bei deinem Leisten«, riet sie ihm. »In der Zwischenzeit legen wir wohl besser eine Pause ein. Gibt’s hier was Flüssiges?«
Sie lagen nebeneinander, tranken Whisky und unterhielten sich. In der subtilen Kunst der beiläufigen Befragung konnte sie es fast mit Dave Thatcher aufnehmen, und er sah keinen Grund, ihr nicht ebenso viel über seine Mission zu erzählen wie dem Beamten im Flughafen. Doch während ihre Finger seinen Körper ergründeten, versuchte sie noch mehr aus ihm herauszukriegen. Vielleicht arbeiteten ja alle amerikanischen Journalisten so. Sollte das tatsächlich zutreffen, hatte er Glück gehabt, nicht den Kerlen in die Hände gefallen zu sein, die Nixon verpfiffen hatten!
Schließlich war er es müde, ausgefragt zu werden, aber er hatte die Erfahrung gemacht, daß man zu einem Mädel, das seine Hand da hatte, wo Linda ihre gerade hatte, nicht unhöflich sein durfte, deshalb sagte er: »Und du, Mädel? Bist du in New York geboren?«
»Klinge ich so?« fragte sie fast empört.
»Nein, in meinen Ohren klingt ihr alle gleich«, sagte er. »Gibt’s da tatsächlich Unterschiede?«
»Du machst wohl einen Witz, was? Nein, du machst keinen Witz! Dann erklär ich dir das mal. Ich bin aus Ohio. Vor etwa fünf Jahren bin ich nach Big Apple gekommen, um mein Glück zu machen. Noch hab ich es nicht geschafft.«
»Vielleicht hat sich das Blatt ja heute gewendet«, sagte Dalziel selbstgefällig. »Übrigens, ich habe mich oft gefragt, was dieses Gerede vom Big Apple soll. Eher ein großer Ameisenhügel, nach dem zu urteilen, was ich bisher gesehen habe.«
»Hüte deine Zunge, die New Yorker sind sehr empfindlich«, warnte ihn Linda. »Ich habe alle möglichen Erklärungen dafür gehört. Am besten gefällt mir, daß für euch Europäer Amerika wie eine der legendären Inseln weit im Westen war, wo die Sonne nicht untergeht und auf den Bäumen goldene Äpfel wachsen. Da die meisten Leute in New York an Land gehen, erhielt es den Namen Großer Apfel.«
»Ach ja, das erinnert mich an was, das ich in der Schule gelernt habe. Gab’s da nicht auch Nymphen, die nackt herumrannten und die Äpfel bewacht haben?«
»Deshalb erinnerst du dich noch daran, was?« fragte sie lachend. »Ja, ich glaube, das könnte stimmen. Und das Witzige ist, weißt du, wie diese Schutzengelnymphen hießen? Hesperiden. Genau. Wie die Geldgeber von Jay Waggs.«
»Dann ist ja alles in Ordnung. Ich hatte mir schon ernsthaft Sorgen gemacht, es könnte sich dabei um einen Haufen Gangster handeln, aber nackte Nymphen, das ist genau mein
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