Ins Leben zurückgerufen
Uhr.
»Schiete. Andy. Ich muß mich beeilen. Hör zu, warum stochern wir beide nicht einfach noch ein bißchen herum? Ich versuche ihnen durch meine Verbindungsleute wieder auf die Spur zu kommen. Sie könnten noch in der Stadt sein. Wir treffen uns morgen und tauschen dann unsere Ergebnisse aus, ja?«
»In Ordnung. Wo? Wann?«
»Neben dem Bistro, in dem wir gegessen haben, ist eine Bar. Schlag Mittag. Wer als letzter kommt, muß zahlen. Bis bald.«
Nachdem sie weg war, machte er die Schranktür auf und musterte sich in dem langen Spiegel.
»Was macht dich so verdammt unwiderstehlich?« fragte er. Der Spiegel gab keine Antwort. Oder vielleicht doch.
Beim Anziehen knöpfte er sich die Notizen der Unterhaltung vor, die er nur halb mitbekommen hatte. Die leeren Stellen auszufüllen ging anfangs einfach, doch auf halber Strecke wurde die Sache problematisch.
KOHLER : Jay, was zum Teufel hast du angestellt?
WAGGS : Ich hab ihn hier beim Rumschnüffeln erwischt. Ich hab ihn für einen Einbrecher gehalten.
KOHLER : Das ist der Polizist, der in der Zeitung war. Er war an dem Wochenende auf dem Gut. Er hat auf mich gewartet, als ich zurückkam. Ich war in der Klinik.
WAGGS : Gütiger Gott! Warum denn das? Ich hab dir doch gesagt, du sollst da nicht hingehen! Was ist passiert?
KOHLER : Sie haben mich nicht reingelassen. Ich habe deinen Namen angegeben. Aber das hat nichts geändert. Ich dachte, du hast gesagt –
WAGGS : Ja, ja. Hör zu, Ciss, du hättest alles ruinieren können. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß ich mich heute nachmittag mit William in der Stadt treffe.
KOHLER : Bist du ganz sicher, daß er heute zu Hause ist?
WAGGS : Klar bin ich sicher. Pack schnell deine Sachen. Ich will weg sein, wenn dieser Einbrecher wieder zu sich kommt.
KOHLER : Ist alles in Ordnung mit ihm? Sollten wir nicht einen Arzt rufen?
WAGGS : Es geht ihm gut, wenn er aufwacht. Er hat eine Konstitution wie die Wand einer Steinscheune. Komm, mach schon. Verschwinden wir!
Das Stück in der Mitte gefiel ihm nicht. Wer zum Teufel war William? Der einzige William bei diesem Fall war Stamper, und was würde der hier suchen? Es sei denn, er war gekommen, um seine Mutter zu besuchen … oder den rätselhaften männlichen Bellmain, der todkrank in der Allerdale-Klinik lag.
Eine Bellmain aus Virginia.
Wo zum Teufel lag eigentlich Virginia? Er wußte nur, daß New York in Virginia lag. Er hätte in Geographie doch mehr aufpassen sollen, statt sich von der kleinen Lettie Lovegood ablenken zu lassen, deren 13jährige Titten unter ihrem Pulli wie Rugbybälle hervorstanden.
Hatte er nicht im Foyer einen Reiseveranstalter gesehen? Dort müßte man Bescheid wissen.
Er ging nach unten. Eine junge Frau mit verstopften Nebenhöhlen fragte ihn näselnd und tapfer lächelnd: »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Vielleicht. Wo liegt Virginia?«
»Sie meinen allgemein? Hier, schauen Sie.« Sie holte eine Karte hervor. »Das ist New York. Und hier unten ist Virginia.«
Das Herz sank ihm in die Hose. Es sah nicht gerade klein aus, und an britischen Verhältnissen gemessen, sah es dazu noch weit weg aus.
»Hat wohl viele Einwohner?« fragte er in der vagen Hoffnung, daß es hauptsächlich aus Wüste bestünde und man ihm im ersten Dorfpostamt gleich den Wohnsitz der Bellmains würde zeigen können.
»Da ist soviel Platz, wie Sie sich nur wünschen können, es gibt aber auch viele Großstädte. Hatten Sie an eine Geschäftsreise oder an eine Vergnügungsreise gedacht, Sir?«
»Bei der Größe – dann ist es akademisch«, sagte er.
»Akademisch? In dem Fall sind Sie vielleicht am historischen Virginia interessiert. Da gibt es viel zu besichtigen. Mount Vernon. Fredericksburg. Jamestown. Williamsburg. Appomattox …«
»Augenblick«, sagte Dalziel. »Das vorletzte, Williamsburg, ja? Gibt es dort unten einen Ort namens Williamsburg?«
»Ja, Sir. Sehr berühmt, dort …«
»Ja, ja«, fiel er ihr ungeduldig ins Wort. »Ich hatte mal eine Freundin mit dem Namen Bellmain. Marilou Bellmain. Ich glaube, sie kam aus Williamsburg. Das Haus hieß Goldener Hain. Was muß ich anstellen, um herauszufinden, ob sie dort noch wohnt?«
Die Frau sagte: »Einen Moment«, ging zu einem Telefon, das hinter ihr stand, wählte und führte dann leise eine Unterhaltung.
Dalziel nahm seine Notizen aus der Tasche und las sie noch einmal durch.
Die Frau schrieb etwas auf einen Block, sagte: »Vielen Dank« und wandte sich wieder zu Dalziel, wobei sie ihm den
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