Ins Leben zurückgerufen
war eindeutig nicht wünschenswert. Zu Fall brachte ihn jedoch die Tatsache, daß er seine Kollegen anlog.
Profumo und auch Iwanow hatten Keeler durch einen Londoner Osteopathen und Künstler kennengelernt, besagten Dr. Stephen Ward. Dieser behandelte die Knochen und malte die Porträts vieler hochgestellter Leute und, so munkelte man, leistete ihnen auch noch intimere Dienste. Inmitten eines wahren Wirbels von Gerüchten, die das zügellose Treiben der Oberschicht so darstellten, daß sie als Inspirationsquelle für ein neues Satyrikon ausgereicht hätte, wurde Dr. Ward schließlich Ende Juli vor Gericht gestellt. Die Anklage lautete auf Zuhälterei in fünf Fällen, zwei davon mit Minderjährigen.
Am Mittwoch, dem 31. Juli, der aller Wahrscheinlichkeit nach der letzte Tag des Prozesses gewesen wäre, erfuhren das Gericht und die Nation zu ihrer Bestürzung, daß Ward eine Überdosis Schlaftabletten genommen hatte und in Lebensgefahr schwebte. Trotz der Nachricht ließ der Richter plädieren und entließ die Geschworenen nach seinem Resümee zur Beratung. Am späten Vormittag fällten die Geschworenen ihren Spruch, der ihn in zwei Fällen der Zuhälterei für schuldig erkannte und in den restlichen drei für nicht schuldig.
Die Urteilsverkündung wurde bis zur Genesung von Dr. Ward verschoben. Als sich die Wochenendgäste zwei Tage später auf Mickledore Hall trafen, lag er noch immer bewußtlos in seinem Krankenhausbett, und es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß so mancher im Lande betete, daß er sich nie wieder daraus erheben möge.
Ich will damit natürlich nicht andeuten, daß sich einige dieser Leute an jenem Wochenende in Mickledore Hall aufhielten.
Die Zusammensetzung der Gäste entsprach nicht ganz dem Ideal, das ein vornehmer Gastgeber angestrebt hätte. Mickledore selbst war unverheiratet, dennoch war sein einziger ungebundener Gast ein Mann. Kinder waren bei solchen Wochenendtreffen normalerweise nicht anwesend, doch Mickledore mochte Kinder auf die gleiche Weise, wie er Hunde mochte, und die drei Ehepaare, die auf der Gästeliste standen, brachten zusammen acht mit, zuzüglich zweier Kindermädchen. Und es gab eine weitere Merkwürdigkeit: Obwohl die Tradition es erlaubte oder sogar dazu anregte, einen Quoten-Amerikaner einzuladen, gab es unter diesen Gästen nicht weniger als drei oder sogar vier davon, wenn man das eine Kindermädchen mitzählte.
Doch lassen Sie uns ins Detail gehen.
Der einzige Single unter den Gästen war Scott Rampling, ein junger Angehöriger der amerikanischen Botschaft. Offiziell war er der Rechtsabteilung zugehörig, obwohl seine Karriere in der Folge mit der Legalität nur wenig zu tun hatte.
Die drei Paare waren die Westropps, James und Pamela, mit den beiden Zwillingen Philip und Emily, beides Kleinkinder unter der Obhut ihres Kindermädchens Cecily Kohler. Die Partridges, Thomas und Jessica, mit ihren Kindern Alison (drei) Laetitia (sieben), Genevieve (neun) und Tommy (zwölf) in der Obhut ihres Kindermädchens Miss Mavis Marsh. Und zu guter Letzt die Stampers, Arthur und Marilou, mit ihrer Tochter Wendy, die sieben Jahre alt war, und William, der acht war, und die kein Kindermädchen hatten.
Ganz richtig. William Stamper, acht Jahre alt. Kein Zufall. An diesem unvergeßlichen Wochenende, als der letzte Mord des Goldenen Zeitalters stattfand, war ich tatsächlich dabei.
Aus kindlicher Sicht war das Gutshaus das reinste Paradies. In dem alten Gebäude gab es Dachkammern voll herrlichem Gerümpel. Das Haus lag inmitten von Wäldern, es verfügte über Ställe, einen Tennisplatz, einen See mit einer Insel sowie ein paar Kähne und eine von Geistern heimgesuchte viktorianische Pseudo-Ruine.
Und es gab nur zwei Regeln. Die erste lautete: Ohne Aufsicht durfte nicht Boot gefahren werden. Und die zweite: Nach sechs Uhr abends hatte man unsichtbar und unhörbar zu sein. Ich für meinen Teil hätte für immer auf Mickledore Hall leben mögen.
Für die meisten Erwachsenen war ein langes Wochenende wahrscheinlich durchaus genug. Die Atmosphäre hatte etwas von einer athletischen Privatschule an sich. Man mußte ununterbrochen sportlich aktiv sein. Erschlaffen war eine unverzeihliche Sünde. Mein Vater war von ganzem Herzen bei der Sache, möglicherweise, weil er mit dem Eifer eines Renegaten das Ethos der Privatschulen vergötterte. Man hätte erwartet, daß er, der kleine Mann, der es zu etwas gebracht hatte, seine bescheidene Herkunft ständig an die große Glocke
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