Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
sie mit uns im Wasser spielte, was sie häufig tat, weil sie hervorragend Boot fahren konnte, war sie am Ende häufig so naß und zerzaust wie der Rest von uns. Selbst ihre Stimme entzückte uns, denn wir vernahmen darin den authentischen Akzent all dessen, was für unsere junge Einbildungskraft den größten Glamour besaß. (Wir vermochten nicht in die Zukunft zu blicken und zu erkennen, daß die sechziger Jahre zu swingen begannen und unser eigenes langweiliges Land der Dreh- und Angelpunkt des verrückten, berauschenden Wirbels war.) Wir liebten sie, weil sie uns liebte, und wenn ich an sie denke, sehe ich noch immer das frische, lachende Gesicht einer jungen Frau mit rotbraunem Haar, das ihr in wunderschönem Durcheinander über die Stirn wehte. Dieses Bild mit dem fahlen Teint, den hohlen Wangen und den verzweifelten, dunkel umrandeten Augen der Frau in Verbindung zu bringen, die in ein vor Mickledore Hall parkendes Polizeiauto geschoben wurde, will mir nicht gelingen.
    Ich habe Miss Kohlers Arbeitgeber, die Westropps, absichtlich bis zum Schluß aufgehoben, weil sie am schwierigsten zu charakterisieren sind. James Westropp muß der Nichtadelige mit den besten Verbindungen landesweit gewesen sein. Ich vermute sogar, daß das noch immer so sein dürfte. Er ist ein entfernter Cousin der Queen und, wie in einem Zeitschriftenartikel über ihn zur Zeit der Tragödie zu lesen stand, in welche Richtung er auch blicken mag, immer drei Todesfälle von einem Adelstitel entfernt.
    Man hätte denken können, daß ihn solche Verbindungen rasch die diplomatische Laufbahn hinaufgezogen hätten, doch sein scheinbar niedriger gesellschaftlicher Status wurde in demselben Artikel erläutert. Westropp war kein Berufsdiplomat mit der Aussicht auf die Residenz eines Botschafters. Er arbeitete für jenen Dienst, der seinen Namen nicht zu nennen wagt, wie man in jenen Tagen neckisch zu sagen pflegte.
    Man könnte eventuell argumentieren, daß sein Aufenthalt in den Vereinigten Staaten eine Auszeichnung war. Man sendet nur seinen besten Spion zu den eigenen Freunden. Seine Ehe scheint eine Liebesheirat gewesen zu sein. Pamela Westropp war eine amerikanische Witwe mit einem dreijährigen Sohn, die keinen Pfennig ihr eigen genannt hatte und auf der gesellschaftlichen Skala keinen Platz einnahm. Sie war sehr attraktiv. Sie war auch eigensinnig, witzig, verrückt, impulsiv, obstinat – eine Mischung von Eigenschaften, die faszinierend oder abstoßend sein können, je nachdem, auf welcher Seite man steht.
    Der Trauzeuge bei Westropps Hochzeit war Ralph Mickledore gewesen, der die Bekanntschaft mit der neuen Frau seines Freundes im Verlauf vieler ausgedehnter Besuche über die Jahre vertiefte. Inzwischen waren die Zwillinge zur Welt gekommen, und mit ihnen war Cecily Kohler aufgetaucht. Wie bald sich ihre besondere Beziehung zu »Mick« Mickledore entwickelte, bleibt offen, aber eine ihrer alten Freundinnen, die während des Prozesses von den Zeitungen ausgegraben wurde, erinnerte sich daran, daß Cecily Kohler bei Antritt ihrer Stelle fest entschlossen gewesen sei, nicht im Ausland arbeiten zu wollen. Also mußte eindeutig etwas vorgefallen sein, wodurch sie ihre Meinung änderte.
    Das waren also die Hauptakteure. Befassen wir uns nun mit dem Geschehen.
    An einem Wochenende auf Mickledore Hall gab es nur einen einzigen Zeitvertreib, und der bestand im Schießen. Männliche Gäste konnten davon ausgehen, daß sie wenige Minuten nach ihrer Ankunft bis zu den Knöcheln im Sumpf standen und alles abknallten, was ihnen das Gesetz zur jeweiligen Jahreszeit gestattete, selbst wenn es nur Kaninchen und Tauben waren.
    Weiblichen Gäste stand eine kurze Frist des Eingewöhnens zu, danach wurde von ihnen erwartet, daß sie mit dem gleichen Eifer ans Schlachten gingen wie die Männer.
    Jessica Partridge war im Schießen so gut wie die meisten Männer und viel besser als mein Vater, der deftige Hänseleien über sich ergehen lassen mußte, weil er sich so dumm anstellte. Die Situation wurde nicht besser dadurch, daß meine Mutter, auch wenn ihr nichts am Töten lag, in ihrer Jugend häufig auf Tontauben geschossen hatte und ziemlich treffsicher war. Ein wirklich hoffnungsloser Fall war Pam Westropp. Nicht, daß sie moralische Einwände gehabt hätte. Sie war so ungeschickt, daß sie häufig das Nachladen vergaß oder abdrücken wollte, obwohl die Flinte noch gesichert war. Und wenn sie doch einmal alles richtig gemacht hatte, traf sie selten das,

Weitere Kostenlose Bücher