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Ins Nordlicht blicken

Ins Nordlicht blicken

Titel: Ins Nordlicht blicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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dir eine saubere Jacke an. Aber trödel ja nicht herum, Pakku. Und du sprichst nur mit Grönemeyer, mit sonst niemandem. Kapiert?« Svens Stimme bekam diesen eindringlichen Tonfall, der einem ohne Worte klarmachen sollte, dass die Sache unter der Hand ablief. Klar, dieser Küchenmanager steckte sich das Geld, das er sparte,weil er nicht über den offiziellen Weg einkaufte, in die eigene Tasche.
    »Kapiert.«
    Mein Vater war zu Hause, als ich mit meiner Kiste auftauchte und sie in der Küche abstellte, um mir die Hände und das Gesicht zu waschen. Ich hatte mich noch nicht abgetrocknet, da hatte er die Kiste auch schon aufgemacht und sich einen ordentlichen Haufen Krabben in eine Plastikschüssel abgefüllt.
    »Spinnst du?« Ich schüttete die Krabben zurück und drückte den Deckel wieder auf die Kiste. »Die wiegen das doch nach.«
    »Ich dachte, das wäre für uns.« Mein Vater verzog schmollend das Gesicht.
    »Glaubst du, ich bringe fünfundzwanzig Kilo Krabben zum Abendbrot mit? Die sind für die Touris bestimmt.«
    Ich verschwand in meinem Zimmer, um mir ein sauberes Hemd anzuziehen, ließ aber die Tür auf, um einen Blick in die Küche werfen zu können. Ich traute ihm zu, dass er sich doch noch heimlich bediente. Frische Krabben waren teuer. Er brachte manchmal nur die abgepackten von Brugsen mit.
    Als ich mich fünf Minuten später mit meiner Kiste auf den Weg zum Hafen machte, stand mir nach ein paar Minuten der Schweiß auf der Stirn. Eigentlich hätte er sich ruhig zwei, drei Kilo von dem Zeug abfüllen können, dann hätte ich nicht ganz so viel schleppen müssen. Aber wenn Sven davon Wind bekam, war ich meinen Job los, mit Sicherheit.
    Der Himmel war klar an diesem Abend und ich konntedas hell erleuchtete Schiff schon von Weitem erkennen. Großartig sah es aus, wie es da unter dem grönländischen Sternenhimmel lag, und ich stellte mir vor, wie die Menschen jetzt in den eleganten Speisesälen saßen und zu leise klimpernder Klaviermusik ihr Dinner einnahmen. Über tausend Menschen waren da versammelt, hatte Sven gesagt. Ich wurde ganz kribbelig bei dem Gedanken, einfach auf das Schiff zu gehen und mich unter die Leute zu mischen. Mister Pakkutaq Wildhausen, dürfen wir Sie beim Captain’s Dinner im Blauen Salon erwarten? Aber Sven hatte mir erzählt, dass diese Luxusschiffe aus Angst vor Terroranschlägen abgeschirmt wurden wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Keine Chance, ohne Bordkarte auch nur einen Fuß an Deck zu setzen. Deshalb würden mir meine Krabben ja auch an Land abgenommen werden.
    Die Wand der Alaska ragte aus dem dunklen Wasser des Fjords auf, weiß, kühl und abweisend wie ein Gletscher. Das Schiff war so riesig, dass ich sicher noch eine Minute brauchte bis zur Gangway, die die Zulieferer nehmen mussten, aber ich wollte rechtzeitig Bescheid geben. Neben Oles Hotdog-Wagen setzte ich mich auf meine Kiste und zog den Zettel mit der Handynummer des Küchenchefs hervor. Ich tippte die Nummer und stellte mich auf ein kurzes Gespräch ein, bei dem ich eigentlich nur mitzuteilen brauchte, dass ich gleich an der Gangway sein würde. Doch es kam anders.
    »Hallo, hier ist Pakku. Ich bringe die Krabben.«
    Einen Moment lang war es still am anderen Ende. Dann hörte ich eine Stimme, die quasi eine Schleimspur durchmein Handy zog. »Aaah jaaaa, Royal Greenland, jaaaa, wunderbar.«
    »Nein, die Krabben von Sven.«
    »Wieeee? Tiefgefroren diesmal?«
    »Die sind nicht tiefgefroren. Kommen Sie herunter?«
    »Ja, das mit der Rechnung läuft wie immer. Da brauchen Sie sich nicht drum zu kümmern.«
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Typ redete einfach an mir vorbei. Konnte er mich nicht richtig verstehen? »Aber ich soll Bargeld mitbringen«, sagte ich ein wenig lauter.
    »Nein, nein, das regeln wir schon.« Die Stimme dieses Herrn Grönemeyer hatte einen mindestens so eindringlichen Ton angenommen wie Svens, wenn er über seine krummen Geschäfte sprach. Was sollte die Geheimniskrämerei? Ich wusste doch, was da lief. Wieder war es einen zu langen Moment still, dann hörte ich, wie er tief Luft holte. »Wie bitte?«, rief er plötzlich empört. »Die sind nicht von heute? Ich hatte fangfrische bestellt! Das können Sie gleich alles wieder mitnehmen!« Die aufgeregte Stimme überschlug sich jetzt fast. »Verschwinden Sie mit Ihrem Zeug, sofort! Haben Sie verstanden? Sofort!« Jetzt schien er das Handy abzudecken, ich konnte nur noch undeutlich hören, dass er mit jemandem sprach, der laut auf ihn

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