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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Saloon, war das Lokal normalerweise ruhig. Jeder konzentrierte sich darauf, diese eine Kugel einzulochen und den Spielball in einer guten Ausgangsposition zu hinterlassen, um auch noch die nächste Kugel zu potten. Bei dem Spiel ging es um Selbstdisziplin und Intuition, es verlangte Verständnis und Erleuchtung sowie eine meditative Atmosphäre, womit die Billardhalle zum abendländischen Äquivalent eines Zen-Tempels wurde.
    «Hast du den Typ mit dem Hackebeilchen schon gefunden?» Gus stellte die roten Kugeln im Dreieck auf und rollte die braune Kugel zum Anstoßfeld. Sam fing sie auf und legte sie auf den Kopfpunkt.
    «Nein», antwortete Sam. «Es kommen mehr Aufträge rein. Werde Hilfe brauchen.»
    Gus kam an Sams Ende des Tisches und rieb Kreide auf die Stoßkappe seines Queue. «Wieviel zahlst du? Und was muß ich tun?»
    «Wieviel verdienst du hier?»
    «Zwanzig pro Tag.
    «Wie wär’s mit dreißig?» Sam beugte sich vor und machte den Eröffnungsstoß auf die roten Kugeln. Der Spielball streifte die blaue Kugel auf dem Weg zurück zur Grundlinie und blieb knapp acht Zentimeter vor der Kopfbande liegen. Eine Rote schwebte über der Tasche in der linken Ecke.
    «Wann fange ich an?» fragte Gus, spielte die Weiße an. Er war jünger als Sam, vielleicht dreißig. Groß und mager, trug Levi’s und eine kastanienbraune Weste, hatte einen Dreitagebart. Er versenkte die Rote. Der Spielball kollidierte mit der schwarzen Kugel und ließ sie zwischen die dicht zusammenliegenden Roten rollen. «Wie kommt’s?» fragte er.
    «Wird mir einfach zuviel», antwortete Sam. «Jane Deacon zieht morgen wieder in das Haus zurück. Einer von uns wird die meiste! Zeit bei ihr sein müssen.»
    «Vierundzwanzig Stunden?» fragte Gus, versuchte einen langen Abstoß auf die Blaue und traf meilenweit daneben, brachte aber durch pures Glück den Spielball in eine sichere Position.
    «Nein. Tagsüber geht sie arbeiten. Aber abends und die ganze! Nacht.» Sam suchte sich durch das Gewirr der roten Kugeln einen Weg für den Spielball und ließ ihn dicht hinter der Grünen ausrollen. 1
    «Ich hab ihr Foto gesehen», sagte Gus. «Ausgesprochen nett.» Er l beugte sich vor, zielte, richtete sich wieder auf und rieb das Queue mit Kreide ein. «Die ganze Nacht? In ihrem Haus?»
    Sam lächelte. «Sie ist frisch verwitwet», sagte er. «Sie wird nervös sein. Du wirst nett zu ihr sein müssen.»
    Gus spielte die Kugel, verfehlte die Roten nur um Haaresbreite und traf die Blaue. «Scheiße», fluchte er. «Ich bin nett. War nur so ein Gedanke.»
    Sam nickte, trat an den Tisch. Kann man niemandem vorwerfen, wenn er denkt. Man sieht Jane Deacon an, und schon fängt man an zu denken. So eine Frau ist sie eben, sie macht einen nachdenklich, wenn man sie ansieht, und wenn sie weg ist, denkt man einfach weiter nach. «Außerdem hast du ja auch schon eine Frau», sagte er zu Gus.
    «Klar hab ich eine Frau», sagte Gus. «Meinst du vielleicht, nur weil jemand eine Frau hat, hört er auf zu denken? Wird hirntot?» ,
    Sam suchte sich eine der Roten aus und machte seinen Stoß. Die weiße Kugel lag in gerader Linie zur Schwarzen. «So was kommt vor», sagte er. Er lochte die Schwarze ein und spielte eine Siebenundzwanziger-Serie.
    «Was muß ich sonst noch machen?» wollte Gus wissen.
    «Ich bekomme eine Menge Ehestreitigkeiten rein», sagte Sam. «Du beschattest den Mann oder die Frau. Du notierst, was sie tun, wen sie treffen. Machst Fotos. Du schreibst einen Bericht.»
    «Kinderspiel», sagte Gus. «Kriege ich auch einen Firmenwagen oder fahre ich mit deiner Schrottkarre?» Er landete einen Zufallstreffer bei einer Roten und schob die pinkfarbene Kugel über das mittlere Loch. «Tut mir leid», sagte er.
    «Wir machen es richtig», sagte Sam. «Sobald Geld reinkommt, kriegen wir beide Firmenwagen. Bis dahin nehmen wir meinen.»
    Gus lochte Pink ein, stieß die Roten auseinander und begann mit einer Serie. «Das ist cool», sagte er. «Tolles Auto, wenn’s anspringt.»
    «Du redest über einen Freund von mir», sagte Sam.
    Als er die Billardhalle verließ, wäre Sam beinahe über einen obdachlosen Jungen gestolpert, der auf dem Bürgersteig vor dem Eingang saß. Es war derselbe Junge, den er vorher auch schon gesehen hatte, hohläugig und ungepflegt, und er versuchte immer noch, seinen Schuh mit Zeitungspapier auszupolstern. Sam ging vorbei und dann wieder zurück. Er nahm einen Zehner aus seiner Brieftasche und gab ihn dem Jungen. Der Jugendliche sah den

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