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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Schein vielleicht eine halbe Minute an. Sam beobachtete einen Moment das Erstaunen in seinen Augen, dann ging er. Als er die Ecke erreichte, brüllte der Junge ihm nach: «He, Mister, vielen Dank.»
    Sam blieb nicht stehen, hob nur bestätigend seinen Arm, und ging weiter zum Auto. Bevor er losfuhr, verstellte er den Rückspiegel und sah sein eigenes Spiegelbild. «Geld für ein ruhiges Gewissen», sagte er. Er drehte sich eine Zigarette und steckte sie an, bevor er sein Spiegelbild erneut ansah. «Also, was soll ich denn tun? Den Jungen mit nach Hause nehmen?»
     
    Am frühen Abend traf er in Celia Allisons Haus ein. Der Tisch war gedeckt für zwei, aus der Küche duftete es nach Rinderschmorbraten und Klößen. «Mir läuft das Wasser im Mund zusammen», sagte er.
    «Es wird noch ein paar Minuten dauern», sagte Celia. «Setzen Sie sich und lesen Sie die Zeitung. Machen Sie es sich gemütlich.» Sie verschwand wieder in der Küche.
    Die Lokalpresse brachte ein Foto von Delany, auf dem er aussah wie ein Kriminalbeamter, der sich verlaufen hatte. Chief Inspector Delany, der verantwortliche Beamte, der die Ermittlungen leitete, hieß es dort, besuchte eine internationale Konferenz in London. Die Konferenz, an der Ermittlungsbeamte aus Neuseeland und Schweden sowie Vertreter der Londoner Metropolitan Police teilnehmen sollten, war anberaumt worden, um Informationen zu vergleichen und auszutauschen. «Wir müssen alles, was wir bislang über die Morde wissen, in den Computer eingeben», wurde Delany zitiert. «Dieser Mann muß gestoppt werden.»
    «Mit dir auf den Fersen», sagte Sam dem Foto, «muß sich der Bursche ja förmlich in die Hose scheißen.»
    «Essen wir», sagte Celia und stellte einen großen Bratentopf auf den Tisch.
    «Wir sollten heiraten», sagte Sam nach dem ersten Bissen. «Eine Frau, die so kocht, sollte nicht allein leben. Das ist unmoralisch.»
    «Dachte mir schon, daß Sie es mögen», antwortete sie. «Wann haben Sie das letzte Mal gekocht?»
    «Ich koche nur selten», gestand Sam. «Manchmal Reis, Kartoffeln, und dann reibe ich Käse drüber. Ich kaufe diese festen Salatköpfe und schneide Scheiben ab, wenn ich sie brauche. Mache Brendas Salatdressing und tunke den Salat dort hinein. Überlebensrationen.»
    Celia schüttelte den Kopf. «Keine Angst», sagte sie. «Ich werde Sie nicht bemuttern.»
    «Ich komme ganz gut ohne Mutter klar», sagte Sam. «Was ich aber im Moment brauche, ist eine Schreibkraft. Eigentlich eher so was wie eine Sekretärin.»
    «Ich weiß», sagte Celia mit einem ironischen Blitzen in den Augen. «Meine Lebensgeschichte. Ich biete einem Mann was zu essen an, häuslichen Komfort, die traditionellen Dinge eben, die er angeblich braucht. Und er will mich nur, um Briefe zu schreiben. Es geht doch um Briefe?»
    «Auf mich kommt ein Haufen Arbeit zu», sagte Sam. «Bezahlte Arbeit. Ich will bei dem Papierkram keinen Mist bauen. Sie haben einen Computer. Wahrscheinlich haben Sie einen guten Stil.»
    «Ich habe vierzig Jahre Englisch unterrichtet.»
    «Genau das meine ich doch», sagte Sam. «Wenn ich einen Brief schreibe, hocke ich eine Dreiviertelstunde über dem Wörterbuch. Wenn er fertig ist, sagt er immer noch nicht, was ich im Kopf hatte. Eine Dame wie Sie kann das gleiche besser in zehn Minuten erledigen.»
    «In Ordnung. Lassen wir’s auf einen Versuch ankommen.»
    «Sie können zu Hause arbeiten», sagte Sam. «Ich hätte gern ein paar Visitenkarten mit der Aufschrift , dazu Ihre Telefonnummer und meine. Wenn man mich nicht erreichen kann, bekommen die Leute Sie an die Strippe. Kommen Sie damit zurecht?»
    «Sagen wir einfach, wir werden es mal versuchen. Wenn es für uns beide gut funktioniert, machen wir weiter. Wenn einer von uns das Gefühl hat, es klappt nicht oder es ist zuviel Arbeit, dann machen wir Schluß. Ich vermute, Sie werden früher oder später ohnehin ein eigenes Büro benötigen.»
    «Ich hätte gern», sagte Sam, «ein Büro irgendwo in der Stadt. Vielleicht unten am Fluß. Etwas im ersten Stock mit dem Namen auf der Tür. Und der gleiche Name dann noch mal auf dem Fenster zur Straße. Ich habe mal einen Film gesehen, es ist später Nachmittag oder früher Abend, und ein Klient sitzt im Büro. Die Sonne fällt herein, erwischt die Beschriftung auf dem Fenster und wirft den Schatten auf die Brust des Klienten: Philip Marlowe.»
    «Romantisch.»
    Sam lachte. «Zart wie ein Hühnchen», sagte er. «Außen eine harte Schale, aber

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