Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum
bloß nicht auf die dumme Idee gekommen wäre, ein zweites Kind in die Welt zu setzen.
Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht fehl am Platz fühle, Schuldgefühle empfinde und mir wie eine Verräterin vorkomme.«
Freitag, 30. November
Von Paderu nach Kabul: Stationen der verrückten Tante
Die ruhelose verrückte Tante hat auf das Visum gewartet, um nach Paderu fahren zu können, in das Dorf, das es nicht gibt.
Die Elasti-Familie hatte sich langsam an den Gedanken gewöhnt.
»In Paderu spricht man nur Telugu, aber was macht das schon? Die verrückte Tante ist ja sprachbegabt«, sagte Elasti-Mama.
»Nach Paderu gibt es keine Straßen, aber was macht das schon? Früher oder später wird man schon welche bauen«, sagte Mister Wonder.
»In Paderu ist die Malaria zu Hause, aber was macht das schon? Sicher hat man dort auch gelernt, sie zu heilen«, meinte der Onkel mit dem Nasenpiercing.
Das Visum kam nicht, und die verrückte Tante wurde ungeduldig. Heute rief die verrückte Tante an.
»Ich fahre doch nicht nach Paderu, habe kein Visum bekommen. Ich gehe für ein Jahr nach Kabul«, erklärte sie.
»Nach Kabul?«, fragte Elasti-Mama.
»Ja, nach Kabul.«
»Welches Kabul? In Afghanistan? In einem der tristesten Länder unter der Sonne, durch das Perser, Griechen, Mongolen, Araber, Türken, Russen, Taliban gezogen sind ... und jetzt du?«
»Genau, jetzt ich. Ist das nicht eine tolle Neuigkeit?«
Nein, das nun wirklich nicht, verrückte Tante. Oder vielleicht doch, ich muss darüber nachdenken. Kabul ist gefährlich, und du bist so klein und dir fehlt jeder Sinn fürs Praktische. Du hast den Kopf in den Wolken und nicht mal eine Burka in deinem Kleiderschrank.
In Kabul können einem schlimme Sachen zustoßen, und du fährst hin. Glücklicher Mensch. Glücklich und leichtsinnig.
Elasti-Exkurs 11
Semantische Analyse des Begriffs »buah«
Der große Hobbit lernte sehr früh sprechen.
Mit zwanzig Monaten sagte er »Mama, die Zitrone ist ein bisschen sauer«, fragte »Warum?«, deklinierte Verben und Adjektive, kannte die Namen aller Musikinstrumente inklusive Fagott und taufte seine einzige Puppe auf den Namen »Femmina«.
Damals las Elasti-Mama irgendwo, dass der Theorie gewisser Kinderärzte zufolge ein zweijähriges Kind einen Wortschatz von zirka zweihundert Wörtern beherrschen sollte.
»Ein dummes Kind vielleicht«, kommentierte Mister Wonder und dachte voll Stolz an den frühen Mitteilungsdrang seines Sohnes. »Unserer beherrscht mindestens tausend, vielleicht auch zweitausend, nein, fünftausend. Wahrscheinlich kennt ein Kind, das mit eigenbrötlerischen Eltern in einer Höhle aufwächst, mit zwei Jahren nur zweihundert Wörter«, schloss der Vater unvorsichtigerweise.
Der kleine Hobbit wird in wenigen Monaten zwei Jahre alt und ist von diesem Ziel noch weit entfernt.
Stattdessen hat er eine krankhafte Liebe zu Schuhen (Aa), Enten (Qua qua), Autos (brumm brumm), der Mama (Mama) und Motorrädern (auch Mama, seufz) entwickelt.
Außerdem hat er den vielschichtigen Begriff »Buah« geprägt.
»Buah« ist der Hut, der Plastikhelm des römischen Zenturio, den er überall hin mitnimmt, und das Handtuch, das sich die betörende Elasti-Mama um den Kopf wickelt, wenn sie sich die Haare gewaschen hat. In diesem letzteren Fall wird das »buah« von einem Seufzer sowie einem verträumten Blick auf die unwiderstehliche Elasti-Kopfbedeckung begleitet.
Die Assoziationen des Hobbits beruhen allerdings auf einer komplexen, nicht immer nachvollziehbaren und bisweilen widersinnigen Logik.
Daher ist »buah« im weiteren Sinne auch ein Objekt, das bedeckt oder schützt.
Wenn die Flasche ohne Stöpsel dasteht, ruft man drängend und ungläubig »buah«. Wenn nicht sofort wieder Ordnung hergestellt und die Flasche verstöpselt wird, wird das »buah« von hysterischen Schluchzern abgelöst.
Mister Wonder trägt keine Mützen, aber eine Brille, im Falle des Vaters ist »buah« dann eben die Brille. In der Ordnung der Hobbit-Welt ist die Brille nicht wegzudenkender, wesentlicher Bestandteil des Vaters. Wenn Mister Wonder unter der Dusche steht oder schläft, also des grundlegenden Accessoires entbehrt, äußert sich die Aufforderung, wieder Ordnung herzustellen, in einem klagenden, manchmal richtiggehend gequälten »buah«.
Ein »buah«, bedeckt, verschließt, macht komplett, stellt wieder Ordnung her. Folglich könnte das Verb »buah« so etwas heißen wie »zumachen«.
Der Imperativ »buah«
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