Insel, aus Traeumen geboren
Wangen stieg.
„Du hattest schon immer Probleme mit Komplimenten.“
„Stimmt nicht.“ Olivia sah wieder auf. „Und wenn, dann lag es daran, weil man mir lediglich geschmeichelt hat, um bei mir etwas zu erreichen. Bei uns in der Familie zählte nur, Köpfchen zu haben.“
„Mit Ausnahme deiner Tante Alyce natürlich.“
„Sie ist schon immer aus der Reihe gefallen. Für ihr gutes Aussehen hat sie ein Vermögen ausgegeben. Mal für die Kosmetikerin, mal für die Friseurin …“
„Hallo, Sie beide! Kommen Sie, und tanzen Sie mit uns auf dem Marktplatz.“ Fred war an den Tisch zurückgekehrt und streckte beide Hände aus.
Ungeachtet seiner Rückenschmerzen sprang Jack auf, packte Olivia am Arm und zog sie mit sich. Bouzouki-Klänge erfüllten die Straßen, und die Lokale leerten sich, weil Gäste und Kellner in Scharen zum Marktplatz strömten, sich dort an den Händen fassten und Sirtaki tanzten.
Olivia umklammerte Jacks Hand. Sie wusste, was diese Lieder den Griechen bedeuteten. Sie handelten alle von Liebe und Verlust und natürlich auch von Hoffnung.
Es war ihr in den letzten Tagen nicht leichtgefallen, Jack aus dem Weg zu gehen. Jeden Mittag und Abend hatte sie nach ihm Ausschau gehalten, doch er war nie zum Essen erschienen. Sie hatte sich schon Sorgen um ihn gemacht, aber sie hatte nie nach ihm gefragt. Sie wollte nicht, dass die Kollegen glaubten, sie mache sich noch etwas aus ihm, außerdem hätten sie nur die Schultern gezuckt und gesagt: „So ist Jack eben.“
Früher aber nicht. Da hatte er sich Zeit für die Mahlzeiten und Gespräche genommen. Und für Zärtlichkeiten. Sie würde es ihm gegenüber niemals zugeben, dass sie das alles vermisste, besonders die leidenschaftlichen Nächte. Ihm jetzt so nahe und doch so fern zu sein tat mehr weh, als sie es für möglich gehalten hätte. Jetzt bereute sie es fast, an dieser Ausgrabung teilgenommen zu haben. Sie hatte geglaubt, damit fertig werden zu können, doch da hatte sie sich total überschätzt.
Während sie sich leicht zur Musik bewegten, riskierte sie einen Blick in Jacks Gesicht, dessen Ausdruck sie erschreckte. Er versuchte gar nicht erst, sein Begehren zu verbergen. Olivia wollte sich von ihm lösen, doch er verstärkte seinen Griff.
Sie konnte nicht den Wein dafür verantwortlich machen, dass sie sich von der Stimmung mitreißen ließen. Weder sie noch Jack hatten übermäßig viel getrunken. Sie konnte es ihm auch nicht verübeln, dass er darauf bestand zu tanzen. Auch Fred konnte sie nicht die Schuld zuschieben, weil es sein Vorschlag gewesen war. Olivia konnte es nur auf sich selbst und ihren schwachen Willen schieben, dass ihr Verlangen nach Jack die Oberhand gewann und wie ein außer Kontrolle geratenes Buschfeuer in ihr brannte. Sie wollte ihn. Wenn er sie jetzt gebeten hätte, mit ihm zu gehen, wäre sie ihm überallhin gefolgt.
Irgendwann hörte die Musik zu spielen auf, doch Olivia war immer noch ganz gefangen davon. Irgendwie hatte sie den Verstand verloren. Aber dann trafen sie auf Dr. Robbins und seine Frau.
„Ich habe Sie beide tanzen sehen“, sagte der Expeditionsleiter, bevor er sich an Jack wandte. „Was macht Ihr Rücken?“
Olivia warf ihm einen besorgten Blick zu, doch er tat die Frage mit einer wegwerfenden Geste ab.
Gerade wollte Olivia ihn fragen, was es mit seinem Rücken auf sich hätte, als Dr. Robbins Jack bat, ihn und seine Frau zum Hotel zu fahren. Kurz darauf saß Olivia neben Jack im Jeep, während Dr. Robbins mit seiner Frau auf dem Rücksitz Platz genommen hatte und über das Festival plauderte. Olivia, der das Herz bis zum Hals klopfte, konnte an nichts anderes denken als an Jack, der ihr eine Hand aufs nackte Knie gelegt hatte.
Wenig später erreichten sie das Hotel, und Dr. Robbins und seine Frau bedankten sich und wünschten Olivia und Jack eine gute Nacht. Während das Ehepaar zu seinem Cottage ging, betraten Jack und Olivia die Hotelhalle und standen dann einen Moment später im Patio, von dem aus man eine herrliche Sicht auf das Meer hatte. Olivia begegnete Jacks Blick, der heißes Verlangen ausdrückte, und erschauerte. Dann legte Jack ihr die Hände auf die Schultern und küsste sie leidenschaftlich. Olivia erwiderte seinen Kuss. Ihre Hände zitterten, und die Beine drohten unter ihr nachzugeben.
Plötzlich fasste er sich in den Rücken und verzog dabei schmerzvoll das Gesicht.
„Was ist los?“, fragte sie.
„Nichts.“
„Hast du dir etwas gezerrt?“
„Ja, wahrscheinlich.
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