Insel, aus Traeumen geboren
wie zugeschnürt. Olivia dagegen goss den Kaffee ein, als wäre nichts geschehen. Wie konnte sie so kühl und gleichgültig sein? Was war mit der gefühlvollen, leidenschaftlichen Frau geschehen, die er in der Nacht zuvor in den Armen gehalten hatte?
„Du solltest etwas essen, Jack“, sagte sie. „Du siehst schrecklich aus.“
„Besten Dank für das Kompliment“, antwortete er trocken.
8. KAPITEL
In den folgenden Wochen ging Olivia ihrem Mann aus dem Weg, was einfacher war, als sie gedacht hatte. Jack hatte sich seine eigenen Arbeitszeiten gesetzt und vermied es, die Mahlzeiten mit der Gruppe einzunehmen. Vermutlich holte er sich die Reste, wann immer er aus seinem Tunnel auftauchte. Manchmal sah sie ihn von Weitem, doch jedes Mal war er rasch wieder verschwunden, bevor sie mit ihm sprechen konnte. Sie musste unbedingt mit ihm reden, damit er ihren Standpunkt verstand. Als sie an jenem Morgen das Hotel verlassen hatten, war er verschlossen wie eine Auster gewesen und hatte es abgelehnt, mit ihr zu reden. Warum konnte er nicht sehen, wie schwer ihr die Entscheidung gefallen war, und begreifen, dass es nur zu ihrem Besten war?
Auch ohne ihn zu sehen, wusste Olivia, wenn er in der Nähe war. Eine plötzliche Hitzewelle oder ein Prickeln auf der Haut verrieten es ihr. Gift für ihren Seelenfrieden. Sie würde härter an sich arbeiten müssen, um diese berauschende Nacht im Hotel und alle anderen Nächte, die sie jemals zusammen verbracht hatten, zu vergessen. Dann würde es für beide einfacher sein, wenn ihre Wege sich Ende des Sommers trennten.
„Wie kommst du zurecht?“, fragte er eines Tages, als er an ihrem Zelt vorbeikam, wo sie gerade Fundstücke sortierte und kennzeichnete.
Olivia wäre beinahe vom Stuhl gefallen. Diesmal hatte er sie völlig überrumpelt. „Gut“, erwiderte sie mit einer Stimme, die in ihren Ohren dünn und piepsig klang.
„Du siehst müde aus“, stellte er fest und blickte ihr forschend ins Gesicht, woraufhin sie sich wünschte, er würde sie nicht so ansehen. Schon immer hatte er ihr bis auf den Grund ihrer Seele blicken können, sodass ihr Innerstes ihm schutzlos preisgegeben war.
Sie bestritt es, obwohl sie es war, was nicht weiter verwunderlich war, wenn sie nächtelang wach lag und sich Sorgen um ihn machte, weil er auf dem harten Boden schlafen musste. „Wie geht es deinem Rücken?“
Er zuckte nur die Schultern.
„Was genau tust du dort unten eigentlich?“
„Nach einem Grab suchen.“
„Ich weiß. Jeder hier glaubt allerdings, es würde sich auf der anderen Seite befinden.“
„Was die anderen meinen, interessiert mich nicht.“
Typisch Jack, dachte sie. Hartnäckig, zielstrebig, besessen. Wenn sich in seinem Kopf eine Idee festgesetzt hatte, ließ er davon nicht mehr ab. Deshalb überraschte es sie auch, dass er ihre Entscheidung so einfach hingenommen hatte. Natürlich hatte sie erwartet, von ihm Gegenargumente zu hören, auch wenn ihm endlich klar geworden sein musste, dass sie recht hatte. Leider erleichterte es sie nicht so, wie es sollte.
„Sieh dir das an“, sagte sie und hielt Teile eines Schmuckanhängers hoch, die ihr jedoch im gleichen Moment beinah aus der Hand gerutscht wären. Sie war längst nicht so kühl und gelassen, wie sie sich gab. „Was hältst du davon?“
Jack fuhr mit dem Finger über die Oberfläche. „Könnte aus der Bronzezeit stammen. Von der alten Ausgrabungsstätte unterhalb der anderen.“ Er wandte sich zum Gehen, doch sie wollte, dass er blieb. Möglicherweise bekam sie ihn für eine ganze Woche oder länger nicht wieder zu Gesicht. Sie vermisste ihn, auch wenn sie es nicht wollte. Sie vermisste ihre Gespräche und Debatten.
„Warte“, hielt sie ihn zurück. „Ich habe dich so lange nicht gesehen.“
„Wolltest du das nicht so?“
„Ja. Ich wollte jedoch auch, dass wir Freunde bleiben.“
Er lachte spöttisch. „Keine gute Idee, fürchte ich.“
„Warum nicht?“
„Das fragst du noch?“
„Ich habe nie gesagt, dass ich keinen Kontakt mehr zu dir haben möchte. Ich versuche nur, die Dinge einfacher für uns zu machen.“
„Einfacher für dich vielleicht. Mich lass dabei bitte aus dem Spiel.“
„Wenn du mir gesagt hättest, dass du bei dieser Expedition ebenfalls mit dabei sein würdest …“
„… wärst du nicht gekommen, stimmt’s?“
„Mag sein. Zumindest wäre ich darauf vorbereitet gewesen.“
Jack beugte sich zu ihr, bis sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt war. Seine blauen
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