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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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Dinge so unverblümt beim Namen nennt, obwohl Ihr wißt, daß Ihr es mit einem Piratenkapitän zu tun habt.«
    »Könige, Piraten oder Bettler, wenn sie krank werden, sind sie nur noch Patienten, und als solche be-handle ich sie alle gleich.« Sie lächelte, und es war ein warmes, mitfühlendes und in gewisser Weise
    beruhigendes Lächeln. »Ich möchte Euch keine fal-
    schen Hoffnungen machen. Doch ich bin davon
    überzeugt, wenn Ihr nach Europa zurückkehrt, habt Ihr gute Aussichten, alt zu werden.«
    »Was haltet Ihr von Schottland?«
    »Ich bin nie dort gewesen, doch scheint mir das ein sehr geeigneter Ort zu sein.«
    Kapitän Jack löste einen schweren Beutel aus sei-
    nem Gürtel und setzte ihn vor ihr ab.
    »Das ist der Lohn für Euren Mut. Die Perlen sind
    für die Konsultation.« Er ging zum Wasser hinunter, gab Sebastián einen Wink, näher zu kommen, und
    als dieser ihn ohne weiteres verstehen konnte, bedeutete er ihm: »Bring die Senora nach Hause, und genieße die nächsten zwei Nächte, so gut du kannst.
    Nur zwei Nächte!«
    Der Junge grinste von einem Ohr zum anderen.
    »Länger halt ich es auch nicht aus.«
    Wenige Tage, nachdem Sebastian an Bord zurück-
    gekehrt war, ließ Kapitän Jack ihn erneut in seine Kajüte rufen, und kaum waren sie allein, kam er
    ohne Umschweife zur Sache:
    »Wie viele Perlen hast du?«
    »Ich habe keine Ahnung«, gab der verblüffte Junge in aller Ehrlichkeit zu.
    »Aber ich. Mit deinem Anteil an der Beute und
    dem, was du mir abgeluchst hast, müßten dir wenigstens fünfhundert geblieben sein. Stimmt’s?«
    Der Margariteno überlegte eine Weile, zögerte kurz und nickte leicht.
    »Kann sein.«
    Kapitän Jack musterte ihn lange, als wolle er noch einmal über etwas nachdenken, worüber er sich
    schon lange den Kopf zerbrochen hatte. Die folgenden Worte schienen ihm unendlich schwerzufallen.
    »Für diesen Preis verkaufe ich dir das Schiff.«
    »Die Jacare…?« fragte Sebastian Heredia verdat-
    tert.
    »Die Jacare, mit Besatzung und Fahne«, lautete die entschlossene Antwort. »Ich kenne dich gut und bin überzeugt, daß du sie in meinem Sinne führen und
    nicht entehren wirst.« Er machte eine Pause, um
    zähneknirschend einen Schmerzenslaut zu unter-
    drücken, und lächelte schließlich gequält. »In diesen Zeiten ist es nicht leicht, sich einen Namen zu machen, auch als Pirat nicht, daher rate ich dir, wenn du das Schiff haben willst, auch meinen Namen und
    meine Flagge zu übernehmen. Das wird dir Proble-
    me ersparen.«
    »Ich habe mir niemals vorgestellt, mein ganzes Leben lang Pirat zu bleiben. Eigentlich wollte ich Lehrer werden.«
    »Was du lehren könntest, paßt in das Loch dieses
    Zahns«, gab der Schotte mit grausamer Ironie zu-
    rück. »Außerdem heißt es in diesem Metier: >Einmal Pirat, immer Pirat<. Das kann man nicht wie ein altes Paar Stiefel hinter sich lassen.«
    »Warum wollt Ihr dann Schluß machen?«
    »Weil mir keine Wahl bleibt. Gut, ich habe zwar
    schon gesagt, daß du dich besser zur Ruhe setzt,
    bevor sie dir den Hals langziehen, doch ein Jahr unter eigener Flagge ist besser als zehn unter der des Königs…« Der Glatzkopf stieß einen tiefen Seufzer der Resignation aus. »Es wird mir abgehen, dieses Leben. Doch seit einiger Zeit ist es kein Leben mehr, und die Jüdin hat sicher recht, daß nur ein kühles Klima diese widerlichen Biester umbringt.« Er
    spuckte aus und fuhr beinahe aggressiv fort: »Was hältst du von meinem Vorschlag?«
    »Ich muß darüber nachdenken.«
    »Du hast zwei Tage.«
    Sebastian war froh, nach dem Gestank eines leben-
    digen Toten in der Kabine wieder frische Morgenluft atmen zu können. Er ließ sich auf dem Achterkastell nieder, unweit der Stelle, an der sein Kapitän Platz zu nehmen pflegte, als wollte er sich ein Bild davon machen, was es bedeutete, Kapitän eines Schiffs zu sein und Befehle zu geben, denen keiner widersprach.
    Ein großartiges Angebot, ohne Zweifel. Was waren
    schon die Perlen, die lediglich einen Frauenhals
    schmücken konnten, gegen die Jacare, gegen das
    kühnste und stolzeste Schiff der Weltmeere?
    Er frage sich, ob er es befehligen konnte.
    Das Schiff, bestimmt.
    Die Besatzung, wahrscheinlich nicht.
    Immerhin waren es Piraten.
    Alte blutrünstige Piraten, die einen Befehlshaber nötig hatten, der sie, falls sie nicht spurten, auch zu den Haien schicken konnte. Der Junge zweifelte, ob er jemals zu so einem Befehl fähig sein würde.
    Er ließ die Augen über Deck wandern und

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