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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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hun-
    dert Metern noch einmal um und rief ihnen fröhlich zu:
    »Und sagt ihm, daß ich immer auf ihn warten wer-
    de. Immer!«
    Dann verschwand sie endgültig, ohne sich noch
    einmal umzudrehen. Sebastian blickte ihr nach, als hätte er gerade eine Fata Morgana erlebt.
    Als er schließlich zurückkam, scharten sich seine Männer erwartungsvoll um ihn.
    »Was wollte diese Verrückte?« fragte Lucas Casta-
    no geradezu neugierig.
    Sebastian zeigte ihm den Brief:
    »Wahrscheinlich ein Jahr weiterträumen.«
    Als sie drei Tage später die Jacare endlich wieder zu Wasser ließen und Kurs nach Süden einschlugen, stieß der neue Kapitän einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, daß die Gefahr vorüber war, doch fragte er sich noch oft, wie es so seltsame Orte wie diese Insel geben konnte und so unschuldige Mädchen wie das mit dem Brief.
    Ein steifer Nordostwind trieb sie, ohne daß sie sich groß anstrengen mußten, nach Westen. Über dem
    ruhigen, dunklen Meer wölbte sich ein klarer, wol-kenloser Himmel. Und so gingen die Tage friedlich dahin, bis der Ausguck einen treibenden Leichnam
    direkt voraus meldete.
    Sie betrachteten ihn, während er langsam steuer-
    bord vorbeitrieb.
    Es handelte sich um die von Fischen schon sehr
    angenagte Leiche eines mageren Jungen, der schon
    einige Tage im Wasser gelegen haben mußte. Der
    Zwischenfall wäre nicht unbedingt der Rede wert
    gewesen, wäre nicht drei Stunden später ein neuer Toter aufgetaucht. Und auf diesen folgte ein weiterer, und wieder einer, bis man von einer wahren Pro-zession von Leichen hätte sprechen können, die mit dem Gesicht nach unten in einem immer ruhigeren
    Meer dahintrieben.
    Und alle waren schwarz.
    Männer, Frauen und Kinder. Alle schwarz.
    Einigen hatten die in der Umgebung kreisenden
    Haie einen Arm oder ein Bein abgerissen, und bei
    einem kleinen Mann schwammen die blutigen Ein-
    geweide wie eine Familie von Quallen herum.
    Selbst die rauhen Seewölfe, die an Gewalt und Tod gewöhnt waren, glaubten einem dantesken Schauspiel beizuwohnen, denn eines war klar: Die Men-
    schen waren keines gewaltsamen Todes gestorben,
    sondern zweifellos unschuldige Opfer eines tragi-
    schen Schiffbruchs, der keinen verschont hatte.
    Bald mußten sie jedoch feststellen, daß keine Spur eines Schiffbruchs zu entdecken war. Keine Planke, nicht einmal ein leeres Faß oder ein Segelfetzen…
    Nichts!
    Nur Tote.
    »Ein Sklavenschiff«, rief plötzlich Nick Cararrota aus.
    Sebastian Heredia wandte sich dem häßlichen Mal-
    teser zu, der als bester Fechter an Bord galt und von dessen bewegter Vergangenheit man nur so viel
    wußte, daß er alles getan hatte, was auf dieser Welt nur verboten oder illegal sein konnte.
    »Was soll das heißen, ein Sklavenschiff?« wollte er wissen.
    »Daß vor uns wahrscheinlich ein Schiff fährt, das Sklaven aus Senegal geladen hat.« Der narbenge-sichtige Kerl spuckte in Richtung einer der Leichen aus. »Wenn die Ware krank wird, wirft man sie über Bord, noch bevor sie den Löffel abgegeben hat.«
    »Warum das denn?«
    »Wenn sie halbtot im Hafen ankommt, kauft sie
    keiner, und wenn sie an Bord stirbt, zahlt die Versicherung nicht.« Er fletschte seine schlechten Zähne wie ein hungriger Wolf. »Wenn der Kapitän die
    Kranken aber ins Wasser wirft, damit sie die übrige Fracht nicht anstecken, wird das als legal angesehen, und die Versicherung ersetzt die Auslagen.«
    »Bist du sicher?« fragte Lucas Castano verblüfft.
    »Sollen wir vielleicht glauben, daß es eine Versicherung für solche Risiken gibt?«
    »Natürlich! In London.«
    »Und woher weißt du das?«
    Der Malteser begnügte sich mit einem Schulterzuk-
    ken und grinste fast belustigt, während er ironisch fortfuhr:
    »Ich verstehe schließlich mein Metier «
    »Bist du mal auf einem Sklavenschiff gefahren?«
    »Nur ein einziges Mal«, gab Cararrota ohne jegli-
    che Scham zu, »und ich kann dir sagen, man ver-
    dient dabei zwar Geld wie Heu, aber es ist der elendste Beruf, den ich kenne. Und ich kenne verdammt
    viele! Nicht um alles Geld in der Welt würde ich
    noch einmal auf einem dieser verfluchten Schiffe
    anheuern.«
    Der Wind schlief ein.
    Und es wurde Nacht.
    Das Meer verwandelte sich in einen riesigen Spie-
    gel, in dem bald der Mond glänzte, und es schien, als hätten sich alle Elemente verschworen, den Männern der Jacare ein immer höllischeres Spiel zu bieten.
    Über die Reling gebeugt betrachtete Sebastian die halbe Nacht lang ein versteinertes Meer. Jeden

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