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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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die geringsten Anstal-
    ten, zu fliehen oder zu kämpfen. So ging die jacare längsseits, und ein halbes Dutzend Männer sprangen an Bord, als müßten sie sich kopfüber in eine Kloake stürzen. Der Geruch von heißem Schweiß, Kot und
    Urin schlug ihnen wie eine gewaltige Ohrfeige entgegen.
    Dieses Schiff war die Hölle.
    An Bord angelangt verstand man allerdings, warum
    die Ausrüster es auf so absurde Weise hatten bauen lassen. Das war kein Schiff, mit dem man von einem Ort zum anderen fuhr, sondern eine Art riesiger
    schwimmender Sarg, in dessen vier übereinanderliegenden Lagerräumen man so viele Sklaven wie
    möglich unter den schlimmsten Bedingungen ein-
    pferchte.
    Männer, Frauen und Kinder lagen ausgestreckt auf
    schweren Tischen, die etwas geneigt waren, damit
    Urin und Exkremente zum Boden abfließen konnten.
    Hand- und Fußgelenke waren mit dicken Eisenket-
    ten gefesselt, so daß sie nicht die geringste Bewegung machen konnten.
    Schulter an Schulter lagen sie aneinandergereiht.
    Kaum ein Meter Höhe trennte sie von der nächsten
    Menschenschicht, und das alles in einer Hitze, die über fünfzig Grad betragen mußte, und mit so wenig Luft, daß es ein Wunder war, überhaupt noch einen Menschen am Leben anzutreffen.
    Die nicht minder übelriechende Besatzung bestand
    aus einem walisischen Kapitän und zwölf rohen
    Männern. Als man sie gereizt zur Rede stellte, war-um sie diese armen menschlichen Wesen so grausam
    behandelten, schien sich der Kapitän zu erstaunen.
    »Menschliche Wesen? Was für menschliche We-
    sen? Sind doch nur Neger!«
    »Sind Neger vielleicht keine Menschen?«
    »Natürlich nicht!« gab der andere mit verblüffender Sicherheit zurück.
    »Was dann?«
    »Sklaven.«
    »Sklaven? Nichts weiter?«
    »Es waren Sklaven, wir haben sie als Sklaven ge-
    kauft, und wir bringen sie nach Jamaika, um sie dort als Sklaven zu verkaufen.« Der Waliser zuckte die Schultern, als hätte er damit alles erklärt. »Was sollten sie sonst sein außer Sklaven?«
    »Verstehe… Wie viele habt ihr?«
    »In Dakar sind wir mit 780 aufgebrochen, doch et-
    wa hundert sind unterwegs gestorben.«
    »Gestorben, oder habt ihr sie lebendig ins Wasser geworfen?«
    »Was tut das zur Sache? Sie waren krank! Wir ha-
    ben ihnen Leiden erspart, als wir sie ins Meer warfen, denn sie haben sich fast zu Tode geschissen.«
    Der widerliche Kerl schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Ein Sklave mit Durchfall bringt keinen mü-
    den Heller ein und macht nur Probleme.«
    Der frischgebackene Kapitän Jacare Jack dachte
    eine lange Zeit nach, wobei er sich in einem vergeb-lichen Versuch, dem Gestank zu entgehen, die Nase zuhielt. Schließlich deutete er auf die übrige Besatzung, deren schwimmende, stinkende Schande man
    ironischerweise auf den absurden Namen Four Ro-
    ses getauft hatte.
    »Keiner von Euren Männern leidet an Durchfall?«
    »Nicht daß ich wüßte…« beeilte sich sein Gegen-
    über mit der Antwort, sichtlich pikiert.
    »Schade, denn sonst hätte ich einen wunderbaren
    Grund gehabt, euch alle über Bord werfen zu las-
    sen.« Er machte eine kurze Pause, während der er
    sich genüßlich am Kopf kratzte, und fuhr schließlich im gleichen Ton fort. »Aber wenn ich’s mir recht
    überlege, brauche ich gar keinen Vorwand. Ich lasse euch ins Meer werfen, weil ihr alle Hurensöhne
    seid.«
    »Das könnt Ihr nicht machen!« protestierte der Kapitän. »Wir haben uns ergeben, und die Gesetze der Piraten sehen vor…«
    »Von Sklavenschiffen steht nichts in den Vor-
    schriften der Bruderschaft der Küste, deshalb tu ich, was mir gefällt. Wem gehören die Sklaven?«
    Der Waliser zögerte einige Augenblicke, doch dann schien er zu begreifen, daß ihm Lügen hier nicht
    weiterhalf, und antwortete mißmutig:
    »Der Casa de Contratación in Sevilla.«
    Jetzt schien der Margariteno überrascht zu sein. Er und Lucas Castano, der neben ihm stand, schauten
    sich erstaunt an, und er entgegnete schließlich mit Härte: »Das ist gelogen. Die Gesetze verbieten es der Casa, mit Sklaven zu handeln.«
    »Das mag schon sein, aber ich arbeite seit fünf Jahren für sie. Nicht offiziell, aber wenigstens drei ihrer Gesandten zählen zu den Ausrüstern des Schiffs.«
    »Wer alles?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen.«
    »Natürlich könnt Ihr das!« erregte sich der Margariteno. »Ich lasse Euch so oder so ins Meer werfen, doch gibt es zwei Arten: mit oder ohne hundert Peitschenhiebe.« Er drohte mit dem Finger. »Also sagt mir diese

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