Insel der Freibeuter
zutiefst glücklich zu machen schien. »Sehr gut! Wollen mal sehen! Im Augenblick verfüge ich über eine Villa
bei Caballos Blancos, die meiner Meinung nach perfekt geeignet wäre.« Er lächelte wieder. »Eine schö-
ne Dame kann sich dort sehr angenehm die Zeit vertreiben, während sie auf die Rückkehr ihres Geliebten wartet.«
»Wann könnte ich sie besichtigen?«
Mister Cook, dessen Nachname, Spitzbart und ge-
pflegte Jacke die übrige Inselbevölkerung darauf
hinwies, daß er einer der zahllosen Iren war, die vor Jahren zwangsweise in die Kolonie hatten auswandern und dabei Name und Kleidungsgewohnheiten
hatten ändern müssen, blickte auf seine Taschenuhr, dann durch das große Fenster auf den Himmel, dann entgegnete er mit eher mäßiger Begeisterung:
»Wir kommen zwar noch in der Morgenkühle hin,
aber die Rückfahrt wird sehr stickig sein.«
»Die Hitze macht mir nichts aus.«
»Ich dagegen finde sie gräßlich. Zwar bin ich dem Land sehr dankbar, daß es mir meinen Wohlstand
ermöglicht hat, aber an zwei Dinge werde ich mich nie gewöhnen: die Hitze und die Moskitos.« Er lä-
chelte belustigt. »Wißt Ihr, daß Kolumbus einmal
gesagt hat, daß die schlimmsten Feinde, mit denen er es in seinem Leben zu tun gehabt hatte, die Moskitos der Nordküste Jamaikas waren?«
»Nein«, gab der Margariteno zu. »Das wußte ich
nicht.«
»Aber so ist es. Laßt Euch also niemals an der
Nordküste nieder. Hier treibt der Südwind die Moskitos ins Landesinnere, doch dort oben ist es umgekehrt, und ich garantiere Euch: Das haltet Ihr nicht aus.«
Mister Cook erzählte weiter von seiner Insel und
ihren Eigenarten, während sie in einer kleinen Kutsche, die von einem schweißglänzenden Pferd gezo-
gen wurde, auf einem breiten und gepflegten Weg
entlangfuhren. Er führte an der Küste entlang, an der immer wieder Fischerhütten auftauchten, während
sich weiter landeinwärts luxuriöse Herrenhäuser
erhoben, umgeben von ausgedehnten Zuckerrohr-
plantagen, auf denen Dutzende von Sklaven schufteten.
»Meiner Meinung nach macht man in Caballos
Blancos den besten Rum«, kommentierte der Ire.
»Die Fabrik gehört einem Schotten, der in nur wenigen Jahren damit steinreich geworden ist. Mir ist zu Ohren gekommen, daß er davon träumt, in seine
Heimat zurückzukehren, um dort eine große Whis-
kybrennerei aufzubauen.« Er wandte sich Sebastian zu, ohne die Zügel schleifen zu lassen. »Vielleicht wollt Ihr Euch in den Rumhandel begeben? Diese
Fabrik wäre eine großartige Investition und viel-
leicht könnten wir…«
Kapitän Jacare Jack unterbrach ihn und deutete auf die verkohlten Ruinen eines riesigen Hauses auf
einem wunderschönen Landvorsprung, das von ho-
hen Palmen, schattigen Bäumen und zahlreichen
farbenprächtigen Blumenbeeten umgeben war. Über
einem blauen, kristallklaren Korallenmeer zeichneten sich schwarze Balustraden und Balken ab.
»Was ist das?« fragte er.
»Ruinen!« erwiderte der andere mürrisch.
»Das sehe ich. Aber die Lage ist hinreißend. Wem
gehören sie?«
»Heute niemandem mehr. Einmal war das die luxu-
riöseste Villa der Insel. Kapitän Bardinet hat sie er-baut.«
»Was ist passiert?«
»Das ist eine traurige Geschichte.«
»Die würde ich gern hören.«
Sein Gegenüber blickte ihn mit Befremden von der
Seite an. Er schien zu zögern, doch schließlich zuckte er mit den Schultern und fing an zu erzählen, ohne das abgebrannte Haus zu seiner Rechten aus den
Augen zu lassen:
»Kapitän Bardinet lebte nicht nur vom Rum, son-
dern auch von Schiffen… Ihr wißt, was ich meine.
Eines Tages lernte er in London ein wunderschönes und zartes Fräulein von hohem Stand kennen, heira-tete sie, brachte sie auf die Insel und baute ihr diese Villa. Jahrelang waren sie das glücklichste Paar auf Jamaika, obwohl der Kapitän als einer der Stellvertreter Morgans oft auf See war. Als er nach der Eroberung Panamas mit seinem Anteil an der riesigen Beute zurückkehrte, lief er schnurstracks zu seinem Haus, weil seine Frau kurz vor der Niederkunft ihres ersten Kindes war. Leider starb sie während der Geburt, was den Kapitän in tiefste Verzweiflung stürz-te. Die ging allerdings in schäumende Wut über, als ihm die Hebamme die Schuldige am Tod seiner über
alles geliebten Frau brachte: ein schwarzes Mäd-
chen.«
»Ein schwarzes Mädchen?« wiederholte Sebastian
überrascht.
»Genau! Offensichtlich hatte sich das Früchtchen, wenn ihr Gatte verreist war, so
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