Insel der glühenden Sonne
auf. »Das ist doch lächerlich! Warum siehst du der Wahrheit nicht ins Gesicht? Du hast die Kontrolle über deine Farm verloren. Mit den Niggern zu Hause wäre das nicht passiert. Wie kommst du darauf, dass diese Farmhelfer irgendwie anders sind? Sie müssen gemeldet werden, das weißt du selbst.«
»Ich könnte mit ihnen reden, damit sie sich entschuldigen.«
»Entschuldigen?«, kreischte Millicent wieder los. »Dieser Abschaum! Wir würden uns nicht herablassen, von so etwas Entschuldigungen anzunehmen.«
Barnaby saß noch immer im Wohnzimmer und grübelte, als Dossie es wagte, die Nase hineinzustecken.
»Mr. Warboy, heute ist Einkaufstag. Shanahan will wissen, was er machen soll.«
Barnaby fiel ein, dass Shanahan laut seinen Anweisungen die Farm nicht mehr allein verlassen durfte. Und da Jubal im Zorn weggeritten war, blieb nur er selbst übrig, um Sean nach Hobart zu begleiten.
»Sag ihm, er soll hinfahren, die Vorräte holen und sofort zurückkommen«, sagte er mürrisch. »Ich will nicht, dass er sich in der Stadt herumtreibt.«
»Ja, Sir.«
Minuten später war sie wieder da.
»Shanahan fragt, ob er tatsächlich allein fahren soll?«
Barnaby reagierte gereizt. »Sag ihm, er soll sich in Bewegung setzen, sonst gibt es heute keine Rationen!« Familie und Arbeiter gingen ihm zurzeit gleichermaßen auf die Nerven, er musste unbedingt das Haus verlassen und einen klaren Kopf bekommen.
Sean hatte seinen Brief geholt, eine sorgsam geschriebene Nachricht in einer so winzigen Handschrift, dass er sie kaum lesen konnte. Sie stammte von seiner Schwester, und er las sie begierig. Hannah O’Neill war gestorben, und Patrick sagte, der Tod ihres Sohnes, dessen Grab in einem fernen Land sie nie besuchen konnte, habe ihr das Herz gebrochen.
Seans Herz pochte heftig wie immer, wenn Matt erwähnt wurde, und er musste tief Luft holen, um sich zu beruhigen. Matt lag noch immer in dem Armengrab auf der Insel der Toten, es war nur mit einer Nummer markiert.
… Onkel Patricks Freunde Colonel Rothery und Pastor Cookson haben ihre Gesellschaft gegen die Deportation in Schwung gebracht, sie hat jetzt eine Menge Mitglieder und macht Druck auf die Regierung.
Gut so, dachte Sean. Allerdings ein bisschen spät für uns, falls die britische Regierung nicht ein Wunder vollbringt und ein Schiff schickt, um uns nach Hause zu holen.
Der Colonel lässt fragen, ob du seinen Sohn Willem kennst. Er wartet auf Nachricht.
Allmächtiger! Willem war tatsächlich sein Sohn. Gewiss würde er die Neuigkeiten gar nicht gern hören.
Patrick hat nie eine Antwort auf seine Beschwerde gegen die Richter Matson und Pellingham erhalten, also reist er nach London, um mit dem Innenminister zu reden. Er sagt, er gibt nie auf, und wenn er zu dir auf die Insel kommen und die Leute persönlich auspeitschen muss.
Sean spielte mit dem Gedanken, einen weiteren Brief an den Gouverneur zu schreiben, doch es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Die schuldigen Richter waren dickfellig bis dorthinaus, er musste andere Maßnahmen ergreifen. Aber welche?
Plötzlich kam die Erinnerung an Matts letzte Tage hoch, und er versuchte, das Bild seines Cousins in dieser verfluchten Zelle zu verdrängen. Manchmal wünschte Sean, er wäre nicht noch einmal hingegangen. Bailey hatte ihn gewarnt, doch Matt war sein Freund seit Kindertagen. Er musste ihm beistehen. Sich verabschieden.
Der blutige Haufen Lumpen auf dem Boden war kaum noch als Mensch zu erkennen.
»Was ist passiert?«, hatte er geschrien, als er durch die Blutlachen watete und Matt aufheben wollte. Matts Oberkörper war eine glitschige, aufgeschwemmte Masse, das Blut troff über Arme und Brust.
»Er hat zweihundert Peitschenhiebe bekommen«, sagte der Aufseher, der mit einem Eimer Wasser und einem sauberen Laken kam, um die Blutung zu stillen.
»Wofür?«, hatte Sean geschrien, als sie das Laken um die durchnässten Verbände wickelten.
»Richter Matson hat ihn zu hundert weiteren Hieben verurteilt«, erklärte der Aufseher erbittert.
»Aber er war doch bereits zum Tod durch den Strang und hundert
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