Insel der glühenden Sonne
Lebensunterhalt selbst verdienen.«
Dem Vater war klar, dass Harold seinen jüngeren Bruder ermutigt hatte, den Priesterberuf zu ergreifen, doch der Plan war gescheitert. Barnaby war nicht verwundert, als Jubal nach wenigen Monaten das Priesterseminar von New Orleans als »völlig ungeeignet« für das geistliche Leben verließ.
Barnaby war damit einverstanden, dass Jubal für seinen Lebensunterhalt arbeiten sollte.
»Ich bin froh, dass wir darin einer Meinung sind«, erklärte Harold. »Immerhin ist es meine Plantage. Diese Tatsache muss er akzeptieren.«
Barnaby zuckte die Achseln. Es war ihm nie gelungen, Jubal freiwillig ans Arbeiten zu bekommen, zudem hatte er sich in allen Dingen als reichlich unfähig erwiesen. Vielleicht könnte Harold ihn auf Vordermann bringen, indem er ihn härter anfasste.
»Na gut, gib mir ein paar Tage, um die Bücher in Ordnung zu bringen, und dann setzen wir uns zusammen.«
»Wunderbar, Vater.«
Harold war froh, dass der Übergang so reibungslos vonstatten ging. »Ich habe es dir doch gesagt«, bemerkte er seiner Frau gegenüber. »Er ist jetzt fünfundfünfzig und lässt allmählich nach. Ich habe schon lange geahnt, dass die Arbeit zu schwer für ihn wird …«
Niemand machte sich Sorgen, als Barnaby an diesem Abend und dem folgenden nicht nach Hause kam. Seine Geliebte besaß ein hübsches Cottage an der Kingston Bay, in dem er oft mehrere Tage verbrachte.
Harold fieberte darauf, die Zügel in die Hand zu nehmen, und machte sich schließlich doch auf die Suche, musste aber feststellen, dass sein Vater die Insel verlassen hatte, ohne jemandem ein Wort davon zu sagen! Er hatte mehrere Immobilien im Stadtzentrum verkauft, seine ansehnlichen Bankkonten aufgelöst und die Gelder der Plantage ebenfalls mitgenommen. Harold saß nun mit seinem hypothekarisch belasteten Anwesen da und sollte seinen Vater nie wieder sehen.
In den nächsten Jahren kämpfte er gegen den Bankrott, bis ihm seine Schwiegereltern ihre Unterstützung zusagten – allerdings nur unter einer Bedingung.
Sie erklärten klipp und klar, dass sie zwar ihm finanziell unter die Arme greifen würden, sein Bruder Jubal, der mittlerweile verheiratet und Vater einer Tochter namens Penelope war, die Plantage jedoch verlassen müsse. Sie weigerten sich, einen Mann durchzufüttern, der faul zu Hause herumhing und, wie man sich flüsternd erzählte, jungen Mädchen jeglicher Hautfarbe nachstellte.
Und so zog Jubal Warboy mit Frau Millicent und Tochter Penelope auf eine Plantage, die Millicents Vater gehörte. Millicent war ein zartes Ding ohne Leidenschaft, gab sich blasiert und gelangweilt, war in Wirklichkeit aber schlichtweg dumm. Sie kleidete sich gern in wogendes Georgette und Spitzen, die ihr ein ätherisches Aussehen verleihen sollten, ihre helle Haut und das blonde Haar aber noch farbloser erscheinen ließen.
Die Familie wohnte zehn Jahre dort, bis das Schicksal erneut zuschlug. Die Plantage wurde verkauft, und Millicents Vater, der sie nicht länger ertragen konnte, bezog ein geschmackvolles Häuschen in Kingston, das keinen Platz für eine große Verwandtschaft bot.
»Was soll aus uns werden?«, fragte sein Schwiegersohn und erhielt eine barsche Antwort: »Ehrlich gesagt, kümmert mich das einen Dreck.«
Nach langem Hin und Her fand Jubal eine Stelle als Verwalter einer kleinen Zuckerrohrplantage bei New Orleans, wo es ihm alsbald gelang, ein profitables Unternehmen in die roten Zahlen zu führen. Er strebte immer noch nach Höherem, warf mit Firmengeldern um sich und wurde in den örtlichen Jachtklub aufgenommen. Einige Mitglieder waren entsetzt, dass sich dieser Kerl mit seinem fragwürdigen Ruf in ihre exklusive Gesellschaft eingeschlichen hatte, doch so weich und kraftlos Jubal wirken mochte, hatte er doch ein dickes Fell und ließ sich nicht so leicht vertreiben.
Einige Jahre später legte eine britische Fregatte im Hafen an. Der Kapitän begab sich geradewegs in den Jachtklub, wo man ihn auch mit Jubal Warboy bekannt machte.
»Warboy, Warboy, ein ungewöhnlicher Name! Ich bin in Van Diemen’s Land mal einem Warboy begegnet. Netter alter Knabe, groß, so kahl wie Sie, aber mit weniger Fleisch auf den Knochen. Verwandter von Ihnen?«
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