Insel der glühenden Sonne
kleinen Dampfer, der Mason’s Cove verließ. Er konnte nach Belieben über Deck laufen und zum schönen weißen Haus des Kommandanten hinaufblicken, bevor sie um die Landzunge hinaus in die Storm Bay fuhren.
Angus genoss den wunderbar warmen Tag, sah aufs blaue Meer hinaus und atmete gierig die frische Luft ein. Das alles kam ihm vor wie ein Traum.
»Warum?«, fragte er.
»Wer nicht fragt, wird nicht belogen. Du bist frei. Man hat dich begnadigt und dir die vorherige Strafe ebenfalls erlassen. Tabula rasa. Wenn du möchtest, kannst du nach Schottland heimkehren.«
»Bezahlen die mir auch die Überfahrt?«
»So gern haben sie dich nun auch wieder nicht.«
Angus überlegte. Nach Hause? Begnadigt! Das war doch etwas. Er würde es ihnen zeigen.
Doch als das Schiff flussaufwärts stampfte, dachte er schmerzlich berührt daran, dass er in all den Jahren keinen Brief und keine Nachricht von seinen Eltern oder einem anderen Menschen aus der Heimat erhalten hatte. Es war, als hätten ihn alle verlassen, und er konnte sich kaum noch an ihre Gesichter erinnern, die in einem dunklen Nebel versunken waren. Er schauderte, dann spürte er wieder die Sonne auf seine Schultern brennen. Und lachte.
»Sind Sie sicher, dass am Hafen keine Aufseher warten?«
»Nein. Hör zu, ich darf es eigentlich nicht erwähnen, aber halte dich um Himmels willen von Miss Warboy fern. Sie ist keine zweite Strafe wert.«
»Ich hab sie nie angerührt«, knurrte Angus.
»Dann belasse es dabei, und alles wird gut. Ich muss dich ins Büro des Sträflingsbeauftragten bringen und aus dem Register austragen lassen. Danach bist du frei.«
Verwundert schlenderte Angus mit einigen Shilling in der Tasche über den Salamanca Square, wo er sich ein Bier kaufte und von der Tür des Pubs in die Welt blinzelte. Alles wirkte so vertraut. Bekannte gingen vorbei, nickten ihm zu. Lächelten ihn an. Fragten nach seinem Befinden. Und er nickte zurück.
Noch wollte er niemandem davon erzählen, er musste sich erst an die Freiheit gewöhnen.
Bailey ging vorüber, war schon weiter, als er den schlaksigen Kerl erkannte, der an der Mauer des Pubs lehnte. Er fuhr herum, blinzelte unsicher.
»Ich bin draußen.«
»Allmächtiger, das bist du, oder du hast einen Doppelgänger. Seit wann?«
»Heute.«
»Na toll. Hast du ein Bett für die Nacht?«
»Nein.«
»Ich kann dich hinter dem Laden unterbringen, bis du Arbeit gefunden hast. Ist nichts Besonderes, aber …«
Angus kämpfte mit den Tränen. »Sehr gern, alter Freund.«
Bailey wartete an Pitcairns Gartentor, um Sean die Neuigkeit zu überbringen. Er konnte seine Aufregung kaum zügeln.
»Rat mal, wer in der Stadt ist.«
Einen Moment lang schlug Seans Herz bis zum Hals. O Gott, lass es nicht Glenna sein, jetzt, wo Marie und ich … Überrascht musste er sich eingestehen, dass Glennas Bild verblasst war.
»Wer?«
»McLeod!«
»Angus?«
»Eben der. Er ist frei.«
Sean sah kurz nach links und rechts und nahm Bailey beiseite. »Ist er mit den anderen geflohen?«
»Nein, er trägt eine echte Begnadigung mit sich rum und grinst wie ein Honigkuchenpferd.«
»Das ist nicht möglich.« Sean war erleichtert, dass Willems Plan funktioniert hatte und sowohl George als auch Singer es geschafft hatten, doch wie passte Angus ins Bild?
»Es stimmt, er ist hier. Und frei.«
»Nein!«
»Komm mit und sieh selbst.«
Die beiden saßen mit Angus im Pub und feierten. Sie hatten ihm Flusskrebse und Austern mit Brot und Käse spendiert, doch er konnte ihnen auch nicht mehr sagen, als dass man ihn überraschend begnadigt hatte.
»Was meint ihr, ich wollte nicht drüber streiten«, meinte er grinsend.
»Ganz einfach, sie haben kapiert, dass du es nicht warst«, sagte Sean. »Und es ist leichter, dich zu begnadigen, als einen Justizirrtum einzugestehen.«
»Wer ist es denn dann gewesen?«, wollte Bailey
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