Insel der glühenden Sonne
…
Samuel räusperte sich und trat unsicheren Schrittes ins Zimmer.
Vater und Tochter wirkten nun vollkommen unschuldig, immerhin waren jetzt beide Hände des Mannes sichtbar, dachte der Vikar empört.
Das Paar behagte ihm ganz und gar nicht, doch er konnte sich kaum dazu äußern, da beide einen solchen Vorwurf rundweg abstreiten würden. Samuel musste sie so schnell wie möglich loswerden, damit er in aller Ruhe über das Gesehene nachdenken konnte.
»Mr. Warboy, ich danke Ihnen noch einmal für die Blumen. Sie wollten mit mir sprechen?«
»In der Tat, Herr Vikar. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass ich früher das Priesterseminar in New Orleans besucht habe?«
»Nein, Sir.«
Sein Kopf schmerzte, und er fragte sich, ob er womöglich halluziniert hatte. Er wünschte, das unglückselige Mädchen würde nicht so nah bei seinem Vater stehen.
»Nehmen Sie doch Platz, Miss Warboy.«
»Schon gut«, flüsterte sie und blieb stehen, während ihr Vater von seiner breiten Kenntnis der Heiligen Schrift faselte.
»Ich versäume keinen Ihrer Gottesdienste, sorge mich aber um Ihre angegriffene Gesundheit, Herr Vikar. Ich finde, Sie sollten sich helfen lassen. Wie es sich trifft, habe ich mit einigen Gemeindemitgliedern gesprochen, die meiner Meinung sind. Sie tragen allein eine schwere Last und würden gut daran tun, sich Unterstützung zu holen.«
»Ach, ich würde nicht …«, setzte Samuel an, doch Warboy fiel ihm ins Wort.
»Wir sind der Ansicht, ein Laienprediger wäre die beste Lösung, und ich habe mich bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen.«
»Sie, Mr. Warboy?«, krächzte der Vikar.
»Sicher doch. Predigten schreiben kann sehr zeitraubend sein, das könnte ich für Sie übernehmen. Und sie auch selbst vortragen, da ich ein recht guter Redner bin.«
Samuel Thorley erhob sich. »Bedauere, Mr. Warboy, mir ist gar nicht gut. Sie müssen mich entschuldigen.«
»Genau das sage ich ja, Herr Vikar. Sie sind dieser Last nicht gewachsen, und ich kann Ihnen etwas davon abnehmen …«
»Vielen Dank.« Der Vikar führte sie aus dem Wohnzimmer. »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen und danke Ihnen, Miss Warboy, noch einmal für die Blumen. Ich werde sie in der Kirche aufstellen und für Sie beten.«
Er öffnete die Tür.
»Wann soll ich anfangen?«, fragte das arrogante Scheusal, und Samuel trat zurück, um sie aus dem Haus zu lassen.
»Vielleicht nächsten Samstag?«, beharrte Warboy.
»Wohl kaum«, entgegnete Samuel mit Nachdruck. »Ich bin durchaus in der Lage, meinen Pflichten ohne Ihre Hilfe nachzukommen. Guten Tag, die Herrschaften.«
Er schloss energisch die Tür und lehnte sich von innen dagegen. »Ich weiß genau, was ich gesehen habe. Doch wer wird mir glauben? Was soll ich tun?«
Erschöpft ging er nach oben ins Schlafzimmer. Beten, mehr blieb ihm nicht übrig.
Der Sommer war wieder zurückgekehrt. Flirrende Hitze, der Boden trocken wie Felsen in der Wüste. Ein bleicher Himmel, so grell, dass es den Augen wehtat. Die Männer standen im Hof, die Hüte in der Hand, da man ihnen befohlen hatte, Jubal Warboys Predigt anzuhören. Sie hielten die Köpfe gesenkt, aber nicht aus Demut, sondern um die Gesichter vor der Sonne zu schützen.
Angus bemerkte, dass der Nacken seines Vordermanns sich bereits rot färbte. Er schlug den Hemdkragen hoch. Im ersten Sommer hatte er in dieser Hitze beim Straßenbau gearbeitet, das Hemd ausgezogen und sich einen furchtbaren Sonnenbrand mit riesigen Blasen geholt. Auf Mitleid konnte er allerdings nicht zählen.
»Selbstverstümmelung«, hatten die Bosse gesagt. »Zehn Tage Tretmühle!«
Er knurrte ungeduldig, während Warboy in seiner Singsangstimme, die besonders fromm klingen sollte, die Predigt herunterleierte. Angus fragte sich, wie der fettige Typ mit dem angeklatschten Haar eine so hübsche Tochter zustande gebracht hatte. Miss Penn Warboy war das süßeste und scheueste Ding, das er je gesehen hatte. Er war unglaublich in sie verliebt, seit sie zum ersten Mal aus dem großen Haus getreten war, doch er hatte nur selten ein Wort mit ihr
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