Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Mundes veränderte, konnte sie es variieren, bis eine seltsame Melodie daraus entstand.
Leándra schreckte auf. »Eleni? Kommt das von dir?« Sie starrte ihre Schwester an. »Machst du solche Geräusche?«
Eleni lachte. »Ja. Das ist cool, oder?« Sie öffnete wieder den Mund und ließ das sonderbare Knacksen durch ihre Kehle flattern. Mit jedem Versuch wurden die Laute vielfältiger, bis es sich so selbstverständlich anfühlte, als hätte sie schon ihr Leben lang solche Geräusche von sich gegeben.
»Das ist echt gespenstisch!« Leándras Gesicht wurde bleich. »Du klingst wie ein ... wie ein Außerirdischer ...«
Eleni verzog den Mund zu einem Grinsen, aber sie konnte nicht aufhören.
»Hör auf!«, schrie Leándra sie an. »Hör sofort auf!«
Eleni schloss den Mund, aber die Laute wollten sich in ihrer Kehle fortsetzen, wollten weitersingen, weiterrufen ... Es war ein Kribbeln in ihrem Hals, unbändig wie ein wildes Tier.
Eleni schauderte. Sie blickte in die erschrockenen Augen ihrer Schwester und ahnte plötzlich, wie unheimlich sie ihr war.
Eine Bewegung am Strand lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Dort kam jemand aus dem Wald, ein schwarzhaariger Mann, der einen großen Rucksack auf seinem Rücken trug und zwei schwere Einkaufstüten in den Händen hielt. Er lief durch den Sand auf das Haus zu. Kurz darauf folgte ihm noch jemand aus dem Wald.
Es war das Mädchen! Eleni atmete auf, als sie ihre schmale Statur wiedererkannte. Auch das Mädchen sah mit den langen schwarzen Haaren unverkennbar griechisch aus. Nur ihre Haut schimmerte so hell, als hätte sie lange keine Sonne mehr gesehen.
Am liebsten wollte Eleni dem Mädchen zurufen, ihr wenigstens winken. Aber irgendeine Ahnung brachte sie dazu, sich flach auf den Bauch zu legen. Nur ihren Kopf hob sie hoch, um die Fremde zu beobachten.
Auch das Mädchen hatte einen Rucksack auf und trug eine Packung Toilettenpapier unter ihrem Arm. Sie begrüßte die beiden Ziegen, die ihr aufmerksam entgegenliefen. Kurz darauf kam der Esel zwischen den Tamarisken angetrabt und gesellte sich an ihre Seite. Das Mädchen lachte. Das Geräusch hallte zwischen den Felswänden hin und her, flatterte durch die Luft, bis es sich in Elenis Ohren setzte, wo es sich in ein warmes Gefühl verwandelte, das durch ihren Körper rieselte.
Das Mädchen blieb mitten in der Bewegung stehen, hob ihren Kopf und schaute aufs Meer. Ihr Blick streifte Eleni und für einen Moment sahen sie einander an. Der Mund des Mädchens öffnete sich, als wollte sie etwas sagen, aber es kam kein Ton heraus.
»Philine?«, rief ihr Vater aus dem Haus. »Wo bist du?«
»Ich bin hier!«, rief sie zurück, aber ihr Blick blieb bei Eleni.
»Ist alles in Ordnung?« Ihr Vater klang besorgt.
Philine lachte verspielt. »Ja, na klar! Mir war nur so, als hätte ich gerade zwei Meerjungfrauen gesehen.« Ihre Stimme klang zart, so verletzlich, dass man sie beschützen wollte.
Ein tiefes Lachen ertönte aus dem Haus, kurz darauf erschien ihr Vater in der Tür. »Zwei Meerjungfrauen? Bist du sicher? Oder waren es fleischfressende Nixen? Oder singende Sirenen, die dein Schiff zu den Felsen locken wollen, damit es daran zerschellt?«
Philine warf ihrem Vater ein strahlendes Lächeln zu. »Welche Sorte von Meerjungfrauen, muss ich noch herausfinden.« Wieder hörte sich ihre Stimme so lieb an, dass Eleni sie auf der Stelle umarmen wollte. Das Mädchen sah noch einmal zu ihr herüber, ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann folgte sie ihrem Vater ins Haus.
»Die sieht nett aus!« Leándras Bemerkung ließ Eleni zusammenzucken. »Du solltest sie mal ansprechen. Sie ist bestimmt in deinem Alter. Vielleicht könnt ihr Freundinnen werden.«
Ein starkes Kribbeln zog über Elenis Hinterkopf, breitete sich in ihrem ganzen Körper aus und wurde so unangenehm, dass sie heftig den Kopf schüttelte. »Nein, wir können keine Freundinnen werden. Ich würde sie in Gefahr bringen.«
Leándra lachte auf. »Du würdest was?«
Eleni starrte ihre Schwester an. Was hatte sie gerade gesagt? Dass sie das Mädchen in Gefahr bringen würde? Sie warf einen hastigen Blick auf die Hütte. Philine sollte noch einmal herauskommen, Eleni wollte erneut ihrem Blick begegnen, damit die gruselige Ahnung vielleicht verschwand.
Aber das Mädchen kam nicht heraus, und die Vorahnung blieb. Wenn sie nicht wollte, dass Philine etwas Schlimmes geschah, durfte sie ihr nicht zu nahekommen.
»Weißt du was, Eleni?« Leándras Stimme klang
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