Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
angefühlt – und trotzdem war sie gerne bei ihm gewesen. »Stimmt, du hast recht. Anscheinend stehe ich eher auf gefährliche Jungs.«
Philine kicherte noch einen Moment weiter. Doch schließlich wurde sie ernst. »Und außerdem ...« Sie sah Eleni nachdenklich an. »... und außerdem ist dein Makaio womöglich einer von den Schatten.«
Eleni hielt die Luft an. »Ein Schatten? So wie die in der Nacht? Wie kommst du darauf?«
Philine atmete tief ein. »Na ja, in der Nacht auf der Feier, da konnte ich fühlen, wie die Schatten die schlechte Stimmung in der Luft verbreitet haben. Ich wollte die Menschen davon befreien, habe es aber sein lassen, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht stark genug bin, um gegen sie anzukommen. Und als wir deinem Makaio gegenüberstanden, wollte ich auch den Druck aus der Luft nehmen, damit er dich nicht angreift. Aber auch bei ihm haben meine Fähigkeiten nicht ausgereicht.«
Eleni starrte ihre Freundin an. »Was meinst du damit?«
Philine zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich, ob die Schatten womöglich menschlicher aussehen, wenn man ihnen auf der Insel begegnet.«
Eleni musste schlucken. War es möglich, dass der Inseljunge einer von den Schatten war? Das fing ja gut an.
Philine legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Na ja, überleg doch mal: Er hatte einen Fischschwanz – dass er kein Mensch ist, liegt damit doch wohl auf der Hand. Und du bist auch kein richtiger Mensch, immerhin ist Zeus vielleicht dein Großvater. Und dein Vater ist ...« Philine zögerte und sah Eleni einen Moment lang unentschlossen an. Aber schließlich tippte sie mit ihrem Finger auf ihre Schattennotizen . »Und dein Vater ist der hier.«
Eleni versteinerte. Philines Finger ruhte auf der Liste, auf der sie den dunklen Mann beschrieben hatte, der am Rand der Feier auf Eleni gewartet hatte. Er hatte sie auf den Arm gehoben und sich zärtlich über sie gebeugt, nachdem sie in Ohnmacht gefallen war.
Diese Gestalt sollte ihr Vater sein? Eleni konnte sich kaum an ihn erinnern. Sie hatte es nur im Traum erlebt und die Bilder von ihm schwammen durcheinander. Doch die Erinnerungen beschworen ein Gefühl herauf. Sie hatte ihm vertraut und war freiwillig zu ihm gegangen.
Er war wirklich ihr Vater? Elenis Herz schlug immer schneller.
»Und das ...«, Philine rutschte mit ihrem Finger weiter nach unten, ihre Stimme fing an zu zittern, »... ist meine Mutter.« Sie deutete auf die Frau, die am Ende über den Festplatz gelaufen war und die Menschen wieder beruhigt hatte. In ihrer Gegenwart hatten sich alle versöhnt und zum Schluss war sie eine Weile bei Arjana und Markos stehen geblieben.
Philine hatte recht! Diese Schattenfrau musste ihre Muttersein, die geheimnisvolle Mutter, die sie ihr Leben lang vermisst hatte.
Tränen erschienen in Philines Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Weißt du ...«, schniefte sie, »ehrlich gesagt, wäre es mir ziemlich recht, wenn die Schatten auf der Insel etwas menschlicher aussehen würden.«
Eleni zog Philine zu sich heran und nahm sie in die Arme. Ihr Blick glitt aus dem Fenster. Draußen war es dunkel geworden und selbst der letzte helle Streifen am Horizont war inzwischen zusammengeschmolzen. Plötzlich hörte sie das Rauschen über dem Meer, wie es anschwoll und immer näher rollte.
Doch dieses Mal verkrochen sie sich nicht unter der Bettdecke. Eleni beugte sich nur zu der kleinen Lampe und löschte das Licht. Sie zog Philine enger an sich und blickte aus dem Fenster. Einen Moment später erreichte das Tosen die Klippen und die Schatten schossen an ihrem Fenster vorbei. Sie flogen noch tiefer als sonst.
Zu diesen Kreaturen gehörte also auch ihr Vater? War sie selbst dann so etwas wie ein Halbschatten?
Eleni musste über den absurden Gedanken lachen. Während draußen Hunderte von Gestalten an ihnen vorbeisegelten, wurde ihr Lachen immer lauter. Sie konnte nichts dagegen tun, bis sie sich fragte, ob sie womöglich gerade verrückt wurde. Eleni konnte spüren, wie sich Philine in ihrem Arm verkrampfte. Aber die Schatten beachteten sie gar nicht. Sie flogen einfach vorbei, und schließlich wurde es so still wie in jeder gewöhnlichen Nacht. Nur die Zikaden zirpten vor ihrem Fenster.
Philine löste sich von ihr und wischte sich hastig die Tränenaus dem Gesicht. »Warum hast du gerade so gelacht?« Eine Spur von Wut klang in ihrer Stimme.
Eleni musste grinsen. »Weil wir Halbschatten sind.«
Ihre Freundin sah sie für einen Moment verdutzt an, ehe
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