Insel der Rebellen
anderer die Aufmerksamkeit ihrer Umwelt zu verschaffen suchte. Dieses krankhafte Verhalten bezeichnet man al s Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Im Grunde bewirkt es einfach, dass jemand anderen Menschen, die sich nicht wehren und nicht davon berichten können - also meist Kindern und alten Menschen -, Schaden zufügt. Das Motiv des Täters ist der Wunsch, Mitgefühl und Aufmerksamkeit zu ernten oder sich das Gefühl zu verschaffen, gebraucht zu werden, wenn er oder sie sein Opfer zum Arzt oder ins Krankenhaus bringt.
»Ach, ich weiß nicht, was meinem Baby fehlt«, schluchzt die durchtriebene Täterin beim Arzt. »Aber es hat schrecklichen Durchfall, ist völlig ausgetrocknet und viel zu schwach, um aufzustehen. Ich bin völlig am Ende und weiß nicht, was ich tun soll - Es ist doch mein Ein und Alles. Zwei Kinder haben wir schon verloren, und wenn dieses noch stirbt, will ich auch nicht mehr leben!«
Häufig nimmt die Person, die dieses Syndrom aufweist, ihr Opfer auch in den Arm, weint und tröstet es.
»Mein armes kleines Baby«, ruft die grausame und hinterhältige Person aus, »ach, mein armes kleines Baby! Wie hast du dir nur die Füßchen verbrannt? Ach, sorg dich nicht, ich kümmere mich doch um dich. Wein doch nicht, bitte wein doch nicht und sei auch nicht böse auf mich. Ich habe doch gar nichts getan, mein kleiner Schatz.«
Das Baby indessen weint und schreit und klammert sich voller Schmerz und Verzweiflung an den Hals ebender Person, die für sein Elend verantwortlich ist, während diese beim Arzt die gewünschte Aufmerksamkeit und Zuwendung erhält.
Ich halte es durchaus für möglich, dass Major Trader, neben seiner Neigung, in die Piratengewohnheiten seiner Vorfahren zurückzufallen, auch unter Münchhausen leidet. Er vergiftet andere, um sie manipulieren zu können und um das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden. Wenn Sie , geschätzter Leser, ihn sehen oder wissen, wo er sich aufhält, benachrichtigen Sie bitte sofort die nächste Polizeidienststelle. Zuletzt wurde er gesehen, als er heute Morgen sein Grundstück verließ und am Steuer seines Wagens ein Sandwich verzehrte. Da er sich einer Verhaftung widersetzt hat, wird nach ihm gefahndet. Es ist äußerste Vorsicht geboten, denn Trader gilt als gewalttätig und rücksichtslos. Vor allem sollten Sie keine Nahrungsmittel, insbesondere keine Süßigkeiten, von ihm annehmen.
Passen Sie gut auf sich auf!
FÜNFUNDZWANZIG
»Ich bin zwar genau der gleichen Meinung.« Dr. Scarpettas Stimme ertönte aus dem Lautsprecher in Hammers Büro, kurz nachdem Trooper Truths letzter Artikel heftige Wellen im Cyberspace geschlagen hatte.
»Dennoch wäre es mir lieber, wenn ich keine Informationen über Leuchtpistolen oder andere Einzelheiten meiner Fälle im Internet lesen würde.«
»Niemand hat Einfluss auf das, was Trooper Truth im Internet veröffentlicht«, antwortete Hammer und warf Andy einen missbilligenden Blick zu. »Er schreibt anonym, wenn wir einmal davon ausgehen wollen, dass es sich um einen Mann handelt.«
»Woher weiß er über den Fall in Miami Bescheid?«, wollte Dr. Scarpetta wissen.
»Vielleicht hat er sich im Internet über Spontane Selbstentzündung informiert?«, mischte sich Andy ein. »Ich nehme an, bei einer so sensationellen Geschichte gab es eine Fülle von Berichten.«
»Ja, wie immer in einem solchen Fall.«
»Und was nun?«, fragte Hammer, während sie ihre Runden drehte.
»Ich habe die graue Substanz ins forensische Labor geschickt. Wir werden sehen, ob sie oxidiertes Strontium, Kaliumperchlorat, Phosphor oder ähnliche Chemikalien enthält«, teilte Dr. Scarpetta ihnen über den Lautsprecher mit.
»Ansonsten können wir davon ausgehen, dass die Todesursache eine vierzigprozentige Verbrennung der Körpermasse ist, alles andere ist vorläufig noch ungewiss.
Ich denke aber, Sie sollten von einem Mordfall ausgehen, es sei denn, wir finden heraus, dass er Leuchtpatronen am Körper trug, die sich von selbst entzündet haben.«
»Trader hat gelogen. Was für eine Überraschung!«, sagte Andy zu Hammer und legte auf. »So viel also zu dem Hispano mit New Yorker Nummernschildern.«
Leider konnte Trooper Macovich nicht wissen, worüber Hammer und Andy sprachen. Während Macovich im Auto darauf wartete, dass Regina ihren Besuch bei Barbie in der Beratungsstelle beendete, kam Cruz Morales heraus, um eine Zigarette zu rauchen, und entdeckte den zivilen Streifenwagen. Die Beratungsschlampe hatte also die Bullen gerufen! Er
Weitere Kostenlose Bücher