Insel der Rebellen
oder es durch zu viele Gewürze unbekömmlich gemacht. Eines der Paare war überzeugt, die Frau habe ihr zweijähriges Kind vorsätzlich mit einer Zigarette verbrannt, während Ivy steif und fest behauptete, das Kind habe die Zigarette aus dem Aschenbecher genommen und sei auf ihr herumgetrampelt, was die acht Verbrennungen auf den kleinen Fußsohlen erklären würde. Am Ende rankten sich so viele Geschichten und Skandale um Ivys Person, dass sie es für besser hielt, sich zur Ruhe zu setzen. Doch damit begannen ihre Probleme erst.
Fortan saß Ivy meist ganz allein in ihrem kleinen Fertighaus mit billigem Portwein, Zigaretten und Knabberzeug vor dem Fernsehapparat. Von Osteoporose und Arthritis geplagt, konnte sie sich nur noch gebückt und gekrümmt fortbewegen. Niemand rief sie an, und niemand brauchte sie. So fing sie an, nicht nur ihr Leben zu hassen, sondern auch alle Menschen, die darin jemals eine Rolle gespielt hatten. Vor allem aber ahnte sie nicht, dass sie auf dem besten Wege war, ein Schulbeispiel fü r Spontane Selbstentzündung zu werden.
Das Schicksal wollte es, das Ivy am Weihnachtsmorgen 1987 besonders trüber Stimmung war. Da es kalt war, zog sie sich ein Baumwollhauskleid mit langen Ärmeln an. Ihr Sohn, der in der Nähe wohnte, aber selten anrief und nie vorbeikam, hatte ihr eine Schachtel Schokoladenpralinen geschenkt. Sie öffnete sie und mixte sich einen kräftigen Screwdriver. So bewaffnet, nahm sie auf der Kunststoffcouch vor dem Fernseher Platz, wo sie den ganzen Morgen über rauchte und trank. Auf dieser Couch fand man dann auch zwei Tage später ihren weitgehend verbrannten Körper, als der kubanischen Dame von nebenan auffiel, dass die Zeitungen unberührt vor Ivys Tür lagen.
Vielleicht ist es für Sie, geschätzter Leser, von Interesse, dass Dr. Kay Scarpetta, die Leitende Rechtsmedizinerin des Staates Virginia, den Fall untersuchte. Sie hatte gerade ihre Ausbildung am Rechtsmedizinischen Institut von Dade County begonnen und gehörte zu den ersten Personen, die den Schauplatz dieses höchst unklaren Falls in Augenschein nahmen. Weder die Brandexperten noch die Kriminalbeamten hatten bisher etwas Ähnliches gesehen, was nicht überraschend ist, bedenkt man, dass es seit 1600 erst 200 dokumentierte Fälle von Spontaner Selbstentzündung gibt. Ivys Rumpf war einschließlich der Knochen fast vollständig verbrannt, obwohl es im ganzen Haus keinen Hinweis auf eine Brandursache gab. Auch wenn man zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel über Spontane Selbstentzündung wusste, lässt sich Ivys Fall im Nachhinein leicht rekonstruieren.
Als Ivy volltrunken und bewusstlos war, fiel ihr die brennende Zigarette aus dem Mund und setzte das Hauskleid in Brand. Unter dem Einfluss der Hitze schmolz das Körperfett und wurde vom Baumwollkleid aufgesaugt , das damit die Funktion eines Dochtes übernahm. So wurde das Feuer bei geringer Hitze über viele Stunden genährt, bevor es - lange nach Ivys Tod - langsam erstarb. Es ist ein glücklicher Zufall, dass ich mich mit diesem seltenen Phänomen befasst habe, denn dieser Umstand erlaubt mir, im Hinblick auf den rätselhaften Tod des Anglers Caesar Fender, dessen verbrannter Körper vor kurzem in der Canal Street gefunden wurde, zwei Dinge mit Bestimmtheit feststellen zu können:
Spontane Selbstentzündung ist kein übernatürliches Phänomen, und die Umstände von Caesars Tod erfüllen keines der Kriterien, die vorliegen müssen, damit wir von Spontaner Selbstentzündung sprechen können.
Erstens deuten weiß-graue Rückstände in seinem Brustkorb eindeutig auf eine externe Brandursache hin. Außerdem war Caesar nicht besonders alt, nicht übergewichtig, und auch seine Knochen dürften nicht ungewöhnlich dünn gewesen sein. Vor allem aber trug er keine Baumwollkleidung, daher konnte der Dochteffekt nicht eintreten. Im Übrigen lässt nichts darauf schließen, dass er zum Zeitpunkt seines Todes geraucht hätte, auch wenn ein Tatzeuge, der inzwischen zum Hauptverdächtigen avanciert ist, behauptet, Caesar habe ein Einwegfeuerzeug in der Brusttasche getragen. Dieses Feuerzeug, oder seine Überreste, wurde weder am Tatort noch im Leichenschauhaus gefunden.
Daher bin ich davon überzeugt, dass es sich um einen Mord handelt, der mit Hilfe einer Leuchtpistole begangen wurde, und ich denke, dass Dr. Scarpetta meine Auffassung teilt. Caesars Tod weist also keinerlei Übereinstimmung mit dem Ableben von Poison Ivy auf, die sich mit allen Mitteln und auf Kosten
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