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Insel der Rebellen

Insel der Rebellen

Titel: Insel der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Musketenkugeln.
    »Warum sind die Krebse übereinander gestapelt?« Trader starrte ins Waschbecken. »Die sehen schon verdammt tot aus, dabei hasst die First Lady es doch, wenn ihre frischen Meeresfrüchte nicht mehr unter den Lebenden weilen, Fig.« Trader nannte den Küchenchef immer nur Fig statt Figgie. »Sie sollen noch leben und ihre Scheren an die Wände des Kochtopfs schlagen, wenn sie gekocht werden, damit sie frisch auf ihren Teller kommen. Hier.«
    Er stellte eine kleine Dose auf den Tisch. »Meine Frau hat Schoko-Nuss-Kekse für den Gouverneur gebacken. Aber nur für ihn.«
    Figgie wurde übel bei dem Gedanken, diese Tiere bei lebendigem Leibe zu kochen.
    Die Krebse hielten den Atem an, ihre Stielaugen waren voller Panik auf Trader gerichtet. Im Laufe der Jahrhunderte hatten die Blaukrabben ihr Sehvermögen enorm verbessert, damit sie ihre natürlichen Feinde rechtzeitig erblicken und ihnen aus dem Weg gehen konnten. Zu diesen Feinden zählten auch und vor allem die Fischer von Tangier. Die Inselbewohner waren ein schreckliches Volk, das sich die meiste Zeit in kleine n Booten in der Bucht aufhielt und Krebskörbe mit Ködern von faulem Fisch ins Wasser ließ, weil allgemein bekannt war, dass Blaukrabben faulen Fisch schätzen und ganz aufs Fressen verzichten, wenn kein fauler Fisch oder sonst etwas Totes und Verdorbenes im Angebot ist.
    Und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf: Ein unschuldiger Krebs hastet durch den Schlamm und tut niemandem etwas zuleide. Plötzlich schwebt dieser große Eisenkäfig wie ein Fahrstuhl durchs Wasser nach unten und lässt sich in einer trüben Wolke auf dem Grund nieder. Der Krebs riecht den halb verrotteten Fisch und sieht Stücke davon im Inneren des Krebskorbes schwimmen. Er ruft mehrere seiner Familienmitglieder herbei und sagt: »Lecker, nöd? Wos meint ähr?«
    »Dä sin uff Fischfang«, gibt einer zu bedenken. »Pas s uff.«
    »Herrjemine! I hob doch so än Hungar«, beschwert sich der Babykrebs.
    »Sei ruhi! Hob i di nöd alls von Fische verzeih? Dä fange di in dem Ding!«
    »Sieh nur«, sagte Trader laut, »diese Krebse sind schon fast tot. Die First Lady merkt das, wenn sie auf ihrem Teller landen, und wird nicht sehr begeistert sein. Sie schmeißt dich raus, und dann haben all deine Niggerchen keinen Daddy mehr.«
    Trader, der ein übler Rassist war, hielt das für eine lustige Idee und lachte herzlich darüber. Wieder siebzehn kleine Schwarze ohne Vater. Alle wuchsen sie zu Drogenhändlern heran, lungerten vor den Methadonausgabestellen herum und endeten im Knast wie ihr Vater. Eines Tages landeten sie in der Küche der Villa und überlegten, ob die Krebse tot waren oder nicht.
    Andy musste dreimal klingeln, während Pony durch di e alten Butzenscheiben der Haustür spähte. Als Butler mit Stil musste er den Eindruck erwecken, er sei furchtbar beschäftigt und habe ein weitläufiges Gebäude zu betreuen, in dem man lange brauchte, bis man durch die geräumigen Zimmer und endlosen Flure in die Eingangshalle gelangte.
    »Ich komme«, rief Pony und hielt die Hände wie ein Sprachrohr vor den Mund, damit sich seine Stimme möglichst fern anhörte.
    Energisch klopfte Andy mit der schweren Ananas aus Kupfer, dem Zeichen der Gastfreundschaft in Virginia. Pony trat eine Minute lang heftig auf der Stelle, damit er etwas ins Schwitzen geriet und heftiger atmete.
    »Ich komme«, rief er, diesmal ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, damit es sich dichter anhörte.
    Er zählte bis zehn, dann öffnete er die Tür.
    »Ich glaube, ich werde zum Abendessen erwartet«, sagte Andy und schüttelte dem verblüfften Pony die Hand.
    »Oh«, antwortete Pony, der einen Augenblick lang keinen klaren Gedanken fassen konnte. Dieser junge Mann war höflich und freundlich. Er blickte Pony direkt an, ein Verhalten, an das Pony nicht gewöhnt war. Er musste sich zusammennehmen, um nicht aus der Rolle zu fallen. »Wen darf ich melden?«
    Andy nannte ihm seinen Namen und empfand Mitleid mit Pony. Der arme Mann war vollkommen erschöpft von seiner vielen Arbeit, und niemand dankte es ihm.
    »Ihre Jacke gefällt mir«, sagte Andy. »Bestimmt müssen Sie sie ständig bügeln. Sie sieht aus, als könnte sie stehen, auch wenn Sie nicht drinstecken.« Das war als Kompliment gemeint.
    »Meine Frau arbeitet in der Wäscherei im untere n Stockwerk. Sie bügelt sie für mich und geht mit der Stärke sehr großzügig um«, antwortete Pony stolz. »Wir sehen uns nur, wenn ich arbeite, den Rest der Zeit

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