Insel der schwarzen Perlen
Kauai sollte. In Elisas Armen weinte sie lange.
»Kann ich nicht hier in Honolulu mit den Brüdern wohnen und warten, bis Michael aus dem Gefängnis entlassen wird? Dann könnten wir gemeinsam fliehen. Auf Kauai könnten wir uns im Waimea Canyon oder an der Na-Pali-Küste verstecken ⦠So wie du damals, Ma. Du bist auch geflohen, weil du Pa geliebt hast. Ihr beide habt euch jahrelang versteckt, zuerst auf Kauai, dann auf Oahu und danach Jahre lang auf Maui. Du warst kaum älter als ich, als du dich in Pa verliebt hast â¦Â«
Es war alles wahr, so wie meistens, denn Emma war nicht nur eine kluge junge Frau, sie hatte auch die Fähigkeiten einer Kahuna. Es würde sie zu einem besonderen Weg im Leben befähigen, dennoch hatte Elisa groÃe Zweifel.
»Zunächst muss ich mit Pa sprechen ⦠Michael gehört zur deutschen Marine â¦Â«
Als Elisa es Kelii so schonend wie möglich beibrachte, versteinerte er auf der Stelle. Dann sprach er mit Emma. Die Unterredung dauerte länger als eine Stunde, danach waren Emmas Augen rot geweint und sie schloss sich in ihr Zimmer ein.
Weder an diesem noch an den folgenden Tagen verlieà die Iwa den Hafen, denn Emma kam nicht aus ihrem Zimmer. Am dritten Tag, als sie das Essen verweigerte, gingen Elisa und Kelii zum Hafengefängnis. Sie verlangten, den Kapitän der Geier zu sprechen, Michaels Vorgesetzten.
Einen Tag später kam ein Brief am Washington Place an, der Emma das Herz brach, aber ihre Welt auch wieder geraderückte. Michael hatte sich nach einem längeren Gespräch mit seinem Kapitän auf die Liebe zu seiner Frau und zu seinen Kindern in Deutschland besonnen oder aber zumindest auf seine Verpflichtung. Er bat Emma darum, ihm zu verzeihen, doch sie würden sich nie mehr wiedersehen.
»Und was ist mit meinem Kind?«
Elisa sah sich selbst in Emmas panischen Augen. Sie fühlte ihre eigene Not mit Victoria, obwohl es eine andere Situation gewesen war. Der lebenslange Schmerz, den sie seitdem trug, machte nur einen Teil ihres Herzens schwer, denn ihr Leben war voll und glücklich. Doch war dieser Schmerz nötig? Konnte es nicht noch mehr Liebe in ihrer Familie geben?
Mit jedem Tag, den sie mit Kelii verbrachte, kamen sie sich ein Stück näher. Noch schlief er in einer Hängematte im Garten und nicht in Elisas Bett, doch er nannte sie jetzt täglich ipo. Oft legte er wie früher seinen Kopf auf ihre Schulter, wenn sie alleine waren. Es ging langsam voran, aber die Richtung stimmte. Wie konnte Elisa bei so viel eigenem Glück ihrer Tochter einen solchen Schmerz zufügen?
Sie besprach sich zuerst mit Kelii, dann mit Amala und den Jungs und schlieÃlich zuletzt mit Hokulele, da sie die Kleinste im Familienboot war.
»Willst du ein kleines Geschwisterchen bekommen, mit dem du spielen kannst, wenn du magst, und dem du jeden Tag deine schönen Lieder vorsingst?«
Danach waren Emma und Hokulele noch unzertrennlicher als zuvor. Auf der Ãberfahrt mit der Iwa hörte man sie über ihr zukünftiges Kind sprechen, als wären sie ein altes Ehepaar.
Der Tag nach dem Vollmondfest, an dem der Ãltestenrat Kelii feierlich als Dorfchef von den aumakua segnen lieÃ, war ein warmer Maitag voll heiterem Sonnenschein.
»Ma, schau mal, was Amala für dich hat ⦠es ist von deiner Ma, hat sie gesagt, und es steht schon lange hier.«
Elisas alter Kinderkoffer aus Hamburg stand mitten in der Familienhütte. Gerd, Emma und Hokulele warteten darauf, dass sie ihn öffnete. Amala hielt sich im Hintergrund, aber auch sie war neugierig. Elisas Kinderkoffer war im Jahr 1893 mit dem Dreimaster Bremen III nach Kauai gekommen. Ihre Mutter hatte ihn wohl all die Jahre für sie aufgehoben und eines Tages ins Dorf bringen lassen.
Wunder aus der alten Heimat kamen zum Vorschein, darunter das Hochzeitsfoto ihrer Eltern in Hamburg und eine Zeichnung vom Haus ihrer GroÃeltern an der Elbe, in dem Johannes einst als illegaler Sohn der Köchin zur Welt gekommen war. Weiterhin verblichene Heiligenbildchen aus dem Hamburger Michel, eine kleine Porzellanpuppe aus Elisas alter Puppenstube, die Hokulele sofort in Beschlag nahm.
Dann Elisas erste Tagebuchaufzeichnungen sowie ein Poesiealbum ihrer Hamburger Lyzeumszeit. Das interessierte vor allem Emma. Gerd bekam ein kaputtes silbernes Monokel. Elisa meinte sich zu erinnern, es hätte einst ihrer adeligen GroÃmutter gehört.
Elisas
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