Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
bereits wieder hinter ihr auf und entfernte sich rasch.
"Was geht hier vor?" fragte sie heiser, aber der Fremde, der sie immer noch am Arm gepackt hielt, ignorierte ihre Frage und drängte sie weiter den Pfad entlang.
Der Weg endete plötzlich an einer Terrasse. Licht schien durch große Panoramafenster auf den Garten und einen angrenzenden Swimmingpool. Doch obwohl das Haus hell erleuchtet war, wirkte es verlassen. Chloe wurde von entsetzlicher Angst gepackt.
"Wo bin ich? Warum haben Sie mich hergebracht?" fragte sie verzweifelt.
Das Haus vor ihr gehörte ganz bestimmt keinem armen Mann. Was sie von dem flachen, eleganten Bau, der Terrasse und dem großen Swimmingpool erkennen konnte, verriet Reichtum und Luxus.
Eine Bewegung in dem strahlend hellen Licht, das von dem Raum jenseits der Terrasse nach draußen schien, erregte Chloes Aufmerksamkeit. Es war die schattenhafte Silhouette eines Mannes - groß, breitschultrig. Mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze kam er die Stufen der Terrasse herab und ging auf Chloe zu.
Obwohl der Fremde an Chloes Seite ihren Arm losgelassen hatte, stand sie wie angewurzelt da. In dem Gegenlicht war das Gesicht des Mannes, der auf sie zukam, nicht zu erkennen.
Umso deutlicher aber war die Furcht in ihren Augen zu lesen, als dieser Mann jetzt ihre Frage beantwortete - mit einer Stimme, die Chloe nur allzu vertraut war.
"Du bist auf Eos", hörte sie ihn gelassen sagen, "der Insel der Morgenröte. Und was das Warum betrifft - ich denke, du kennst die Antwort, Chloe."
Auf eine kleine Geste von ihm verschwand der Mann, der Chloe hergeführt hatte, und ließ sie beide allein. Wie stets hält Leon sämtliche Trümpfe in der Hand, dachte Chloe verbittert.
Nicht nur die Art, wie er sie auf diese Insel entführt hatte, nein, zweifellos stand er auch ganz bewusst mit dem Rücken zum Licht und etwas erhöht, so dass er sie noch mehr als sonst überragte, was seinen Worten zusätzlichen Nachdruck verlieh.
Aber sie war nicht mehr die naive, vertrauensselige kleine Närrin, die ihn geheiratet hatte.
Chloe bewegte sich zur Seite, so dass Leon gezwungen war, sich ebenfalls zu drehen. Das Licht aus dem Haus fiel nun auf seine markanten Züge, die sich nicht verändert hatten, allenfalls noch härter geworden waren. Leon war immer ein attraktiver Mann gewesen, aber nun, durch Erfahrung reifer geworden, bemerkte Chloe die geradezu aggressiv erotische Ausstrahlung seines scharf geschnittenen Gesichts mit dem unwiderstehlich sinnlichen Mund. Das dunkle Haar trug er länger als früher, und bei der Erinnerung, wie seidig es sich angefühlt hatte, kribbelte es ihr unwillkürlich in den Fingern. Nur die hellgrauen, von seidigen schwarzen Wimpern umrahmten Augen ließen etwas wie Verletzlichkeit vermuten - eine Täuschung, wie Chloe allzu bitter hatte erfahren müssen.
"Ich kenne die Antwort?" Chloe zog die feinen Brauen spöttisch hoch. Seit sie Leon verlassen hatte, hatte sie gelernt, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Zwar hatte sie keine Ahnung, was Leon von ihr wollte, doch sie würde sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie sein unerwartetes Auftauchen bestürzt hatte.
Er kann mich nicht mehr erschüttern, rief sie sich energisch ins Gedächtnis. Ihre Liebe war die Schwärmerei eines naiven jungen Mädchens für einen aufregenden, erfahrenen Mann gewesen. Und der Mann, für den sie ihn gehalten hatte, der Mann, den sie geliebt hatte, hatte nie existiert. Sie verdrängte die Erinnerung daran, wie er ihre Hemmungen überwunden und sie von einem scheuen Mädchen in eine leidenschaftliche Frau verwandelt hatte. Das alles war nur eine Farce gewesen, eine selbstsüchtige, kaltblütig geplante Täuschung.
"Willst du die Scheidung?" fragte sie herablassend. "Mein lieber Leon, du kannst sie haben, und dazu brauchtest du nicht diese lächerliche Räuberposse aufzuziehen."
"Ganz recht." Sein unerwartet scharfer Ton ließ sie zusammenzucken. "Aber ich habe mir keineswegs all die Mühe gemacht, weil ich die Scheidung will, Chloe."
Sie schluckte, von schlimmen Vorahnungen beschlichen. Bis zu diesem Moment war ihr das alles wie ein schlechter Film vorgekommen, zu unwirklich, um sie tatsächlich zu betreffen.
Doch nun begriff sie in plötzlicher Panik, dass sie so schnell wie möglich und so weit wie möglich von diesem Mann fortkommen musste. Und dennoch fragte sie wider besseres Wissen: "Was willst du denn?"
"Ich will dich, Chloe." Er sagte es so leise, dass sie glaubte, ihn falsch verstanden zu
Weitere Kostenlose Bücher