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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sie es schaffen würde. Jeder hatte ihr gesagt, daß sie ein Naturtalent sei. Das war natürlich vor New York gewesen, wo sie plötzlich eine von Hunderten anderer junger Frauen war, denen man dasselbe bescheinigt hatte.
    In ihrem ersten Monat gab es ein böses Erwachen nach dem anderen. Niemals hatte sie mit so viel Konkurrenz gerechnet, und auch nicht mit so viel Hoffnungslosigkeit in den Gesichtern der Mädchen, die sich bei den Vorsprechterminen versammelten.
    Ein paar Angebote hatte sie bekommen – aber die meisten hätten über die Couch des Produzenten geführt. Und dazu war sie zu stolz und zu selbstbewußt.
    Ihr Stolz, ihr Selbstbewußtsein und – sie mußte es sich eingestehen  – ihre Naivität hatten sie jetzt wieder an ihren Ausgangspunkt zurückgebracht.
    Aber nur vorübergehend, rief sich Lexy in Erinnerung. In knapp einem Jahr wurde sie fünfundzwanzig und bekam ihr Erbe ausgezahlt. Dann wollte sie zurück nach New York gehen, diesmal erfahrener, vorsichtiger und klüger.
    So schnell gab sie sich nicht geschlagen. Eines Tages würde sie auf der Bühne stehen, und die Zuneigung und Bewunderung ihres Publikums schlüge über ihr zusammen. Dann wäre sie jemand.
    Jemand anders als Annabelles jüngste Tochter.
    Sie trug das letzte Geschirr in die Küche. Brian war schon beim Aufräumen. Kein schmutziger Topf mehr in der Spüle, kein Fleck mehr auf der Arbeitsfläche. Obwohl sie wußte, daß es gemein war, neigte sie den Geschirrstapel ganz, ganz langsam, bis die Tasse, die zuoberst auf den Tellern stand, umkippte  – der Kaffeerest ergoß sich auf den Boden, bevor die Tasse selbst fiel und klirrend auf den Fliesen zerschellte.
    »Huch«, sagte sie boshaft, als Brian sich umdrehte.
    »Du scheinst Spaß daran zu haben, dich zum Narren zu machen«, sagte er kühl. »Das kannst du jedenfalls ziemlich gut.«
    »Ach ja?« Sie ließ auch den Rest des Stapels fallen. Mit lautem Krachen schlug er auf, Essensreste und Scherben spritzten in alle Richtungen. »Und wie war das? «
    »Verdammt noch mal, was willst du mir beweisen? Daß du alles kaputtmachen kannst? Daß sich immer ein Dummer findet, der deinen Dreck wegräumt?« Wütend ging er zum Wandschrank und holte den Besen heraus. »Mach es selbst weg.« Er hielt ihr den Besen entgegen.
    »Bestimmt nicht.« Obwohl sie ihre impulsive Tat schon bereute, schob sie den Besen zurück. Das bunte Tongeschirr zu ihren Füßen sah aus wie Karneval in Scherben. »Sind doch deine kostbaren Teller. Kehr du sie auf.«
    »Du wirst hier saubermachen, oder ich versohle dir mit diesem Besen den Hintern.«
    »Versuch’s nur, Bri.« Provozierend baute sie sich vor ihm auf. Sie wußte, daß sie im Unrecht war, und das stachelte sie nur noch mehr dazu an, nicht klein beizugeben. »Versuch’s nur, und ich kratz’ dir die Augen aus. Ich kann deine ewigen Befehle nicht mehr hören. Dieses Haus gehört mir genauso wie dir.«
    »Na, hier scheint sich ja nichts verändert zu haben.«
    Die Wut stand Brian und Lexy noch in den Gesichtern, als sie sich fast gleichzeitig umdrehten – und mit weit aufgerissenen
Augen zur Tür starrten. Dort stand Jo, zwei Koffer zu ihren Füßen und Erschöpfung in ihren Augen.
    »Als ich das Krachen und kurz darauf zwei fröhliche Stimmen hörte, wußte ich, daß ich wieder zu Hause bin.«
    Einem urplötzlichen Stimmungswandel folgend, hakte sich Lexy bei Brian unter. »Schau, Brian, noch ein verlorener Sprößling kehrt wieder heim. Hoffentlich ist noch was von dem Festkalb da.«
    »Ein Kaffee wäre mir lieber«, sagte Jo und schloß die Tür hinter sich.

Drei
    Jo stand am Fenster ihres früheren Kinderzimmers. Der Ausblick war immer noch derselbe. Der schöne Garten wartete geduldig darauf, vom Unkraut befreit und gegossen zu werden. Die mit buschigem Steinkraut bewachsenen Rabatten waren schon golden überhaucht, und die schweren Blütenköpfe der Traubenhyazinthen wiegten sich im Wind. Die Stiefmütterchen, umgeben von den hoch aufragenden violetten Blütenrispen der Iris und den leuchtendgelben Tulpen, streckten ihre kleinen, lustigen Gesichter der Sonne entgegen. Die Vergißmeinnicht und Nelken blühten so verläßlich wie eh und je.
    Das Licht schimmerte herrlich golden und perlmuttartig; die Wolken zogen langsam dahin und warfen sanfte Schatten. Es war ein Bild des Friedens, der Einsamkeit, märchengleicher Perfektion. Hätte sie die Energie gehabt, wäre sie in diesem Augenblick rausgegangen, hätte es auf den Film gebannt und es sich

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