Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
überfordert mich etwas.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Das ist Neuland für mich.«
»Du solltest stolz auf dich sein, anstatt darüber krank zu werden.«
»Du hast ja recht. Absolut recht.« Jo stieß den Rauch aus. »Ich lege jetzt mal eine Pause ein.«
Das ist längst noch nicht alles, entschied Kate, aber für den Augenblick war es genug. »Es ist gut, daß du nach Hause gekommen bist. Ein paar Wochen bei Brians guter Küche, und du wirst wieder etwas zunehmen. Außerdem können wir hier Hilfe immer gut gebrauchen. Die meisten Zimmer und Cottages sind den ganzen Sommer über ausgebucht.«
»Das Geschäft läuft also gut?« erkundigte sich Jo ohne großes Interesse.
»Die Menschen entfliehen ihrer eigenen Routine und nehmen die von jemandem anders an. Die meisten, die hierherkommen, sind auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit. Aber natürlich wollen sie nicht auf saubere Bettwäsche und frische Handtücher verzichten.«
Kate legte ihre Fingerspitzen aneinander und dachte kurz an die Arbeit, die sie am Nachmittag noch erwartete. »Lexy hilft ein bißchen mit«, fuhr sie fort, »aber sie ist so unverläßlich und sprunghaft wie eh und je. Sie hat einige Enttäuschungen erlebt und muß lernen, erwachsen zu werden.«
»Kate, Lex ist vierundzwanzig. Sie sollte langsam erwachsen sein.«
»Manche brauchen dafür eben länger. Das ist kein Fehler, sondern eine Tatsache.« Kate erhob sich. Sie war immer bereit, ihre Küken zu verteidigen. Auch gegen eines der anderen.
»Und manche lernen nie, mit der Wirklichkeit klarzukommen«, warf Jo ein. »Und machen ihr Leben lang andere für ihr Versagen und ihre Enttäuschungen verantwortlich.«
»Alexa ist keine Versagerin. Du hattest nie genug Geduld mit ihr – anders als sie mit dir. Auch das ist eine Tatsache.«
»Ich habe sie nie darum gebeten, geduldig mit mir zu sein«, entgegnete Jo. »Ich habe weder sie noch irgend jemanden sonst um etwas gebeten.«
»Nein, du hast nie um etwas gebeten, Jo«, antwortete Kate ruhig. »Hättest du um etwas gebeten, hättest du auch etwas zurückgeben müssen. Hättest du zugelassen, daß sie dich brauchen, hättest du dir vielleicht eingestehen müssen, auch sie zu brauchen. Es ist Zeit, daß ihr drei euch über ein paar Dinge klar werdet. Immerhin ist es schon zwei Jahre her, daß ihr alle drei gleichzeitig hier im Haus wart.«
»Ich weiß, wie lange es her ist«, sagte Jo bitter. »Und ich bin auch diesmal von Brian und Lexy nicht besser empfangen worden, als ich es mir vorgestellt hatte.«
»Vielleicht hättest du mehr bekommen, wenn du mehr erwartet hättest.« Kate hob die Brauen. »Du hast übrigens noch nicht nach deinem Vater gefragt.«
Verärgert drückte Jo ihre Zigarette aus. »Und was, bitte, soll ich fragen?«
»Sei nicht so schnippisch zu mir, junge Dame. Wenn du in diesem Haus wohnen willst, wirst du denen, die es in Schuß halten, den nötigen Respekt entgegenbringen. Und du wirst deinen Teil dazu beitragen, während du hier bist. Die Hauptlast ruht schon seit einigen Jahren auf Brians Schultern. Es ist höchste Zeit, daß sich auch der Rest der Familie mal ins Zeug legt. Es ist überhaupt höchste Zeit, daß ihr euch endlich mal wie eine Familie benehmt.«
»Ich bin keine Pensionswirtin, Kate, und ich kann mir nicht vorstellen, daß Brian begeistert ist, wenn ich plötzlich meine Nase in seine Angelegenheiten stecke.«
»Du mußt wahrlich keine Pensionswirtin sein, um dich um die Wäsche zu kümmern oder die Möbel zu polieren oder die Veranda zu fegen.«
Angesichts von Kates eisigem Tonfall flüchtete sich Jo in ihre Verteidigungshaltung. »Ich hab’ doch nicht gesagt, daß ich nicht meinen Teil dazu beitragen will, ich meinte doch nur, daß …«
»Ich weiß schon, was du gemeint hast, junge Dame, und du sollst wissen, daß ich von dieser Attitüde die Nase gestrichen voll habe. Jedes von euch Kindern würde lieber im Sumpf versinken, als eins seiner Geschwister um Hilfe zu bitten. Und lieber würdest du dir die Zunge abbeißen, als deinen Vater um etwas zu bitten. Ich weiß nicht, ob es nur kindischer Trotz oder ob es dir wirklich egal ist, aber ich bitte dich, dieses Verhalten abzulegen, solange du hier bist. Hier ist euer Zuhause. Und ich wünschte, es würde sich auch so anfühlen.«
»Kate«, begann Jo, während Kate auf die Tür zusteuerte.
»Nein, ich bin jetzt zu wütend, um mit dir zu reden.«
»Ich hab’ doch nur gemeint …« Als die Tür ins Schloß fiel, ließ Jo mit
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