Insel der Träumer
sich gegen die Beeinflussung aufzulehnen. Er sah die Hütten, wusste aber, dass es sie nicht gab. Und solange er dieses Wissen besaß, hatte die dämonische Macht im Dunkel noch keine Gewalt über ihn gewonnen.
Sadagar schüttelte den Kopf, und aus seinen Blicken sprachen Trauer und ernste Sorge um den Freund. »Mythor, Rachamon ist tot! Er ging über Bord, lange bevor wir strandeten. Kein Mensch kann durch den Strudel bis hierher schwimmen! Du willst nicht wahrhaben, dass du wie wir den Rest deines Lebens auf Sarmara verbringen musst, und darum erfindest du Dinge, die gar nicht vorhanden sind. Es steht schlimmer um dich, als ich dachte.«
»Ihr solltet an eurem Verstand zweifeln. Ihr seht Trugbilder und schenkt ihnen Glauben!« rief Mythor aus. »Geht und fragt, wer die Mütter der Kinder sind, die hier geboren wurden. Und ich kann euch jetzt schon sagen, es sind immer die gleichen Frauen, nämlich die, die es wirklich gibt, ehemalige Sklavinnen oder blinde Passagiere wie Farina! Es gibt nur eine Handvoll Frauen hier!«
»Mythor, du redest irr!« schimpfte der Steinmann. »Lass dir von mir sagen, dass Sileena weder eine Erscheinung noch eine Mutter ist. Ich muss es wissen, denn…« Sadagar sah sich finster um, als Chrandor meckernd lachte. »Ich weiß es eben, ich weiß es genau!«
»Ihr wisst es«, murmelt Mythor resigniert. »Oh, ihr wisst es alles so gut! Narren seid ihr allesamt! Wollt ihr denn wirklich warten, bis es auch euch zu sich ruft?«
»Dann zeig es uns! Zeig uns diesen Dämon! Führe uns hin!«
Doch Mythor sah den Freund nur an und schüttelte den Kopf. Rachamon hatte es gewusst. Er wusste, dass er niemanden finden würde, der bereit war, seinen Worten Glauben zu schenken.
Jeder wird gegen dich sein, der nicht die Wahrheit erkennt! Du wirst Feinde haben, wohin du dich auch wendest!
Noch war es nicht soweit. Sadagar, Golad und Farina waren in aufrichtiger Sorge um ihn. Es fiel Mythor schwer, sich diese drei als unerbittliche Gegner vorzustellen, aufgehetzt von dem, das sich nicht nennen ließ. Er musste den Kampf gegen diese Macht allein aufnehmen. Niemand würde ihn unterstützen, vielleicht abgesehen vom Magier. Mythor wusste, dass er seine Worte verschwendete und Gefahr lief, das Unheil selbst herauf zu beschwören.
»Es ist schon gut«, sagte er. »Ich fühle mich besser. Es war wohl nur ein Traum.«
»Ein Traum mit Schrammen«, entgegnete Sadagar. »Willst du uns nicht sagen, wo du sie dir geholt hast? Du warst beim Wrack?«
»Ja«, murmelte Mythor. Er stand auf, schwankte noch, aber die Kraft kehrte zurück.
»Du hast dir eingeredet, Rachamon könnte vielleicht doch noch am Leben sein und dir einen Weg zurück durch den Strudel weisen. War es so?«
»Ja, Sadagar.«
Mythor brachte ein Lächeln zustande, obwohl ihm nach Schreien zumute war. Er gab dem Steinmann einen Klaps auf den Rücken und nickte Golad und Farina zu. Chrandor war mit Aß und Baß beschäftigt und blickte nicht einmal auf. Ihm schien dies alles zu dumm zu sein.
»Ja«, sagte Mythor. »So wird es gewesen sein. Es war töricht von mir. Nun lasst uns gehen und mit den anderen feiern.«
»Endlich wirst du vernünftig! So gefällst du mir schon wieder besser, Mythor!« lobte Sadagar. »Komm, ich weiß, was dir guttun wird. Ich bringe dich zu Sileena. Worauf verzichtet ein Mann nicht, wenn er einem Freund dadurch helfen kann!«
Mythor wollte auffahren, doch er beherrschte sich eisern. Und plötzlich war der Drang in ihm, die Macht der Täuschung auf die Probe zu stellen. Von nun an musste er das unselige Spiel mitspielen. Es gab nur diesen einen Weg, wollte er nicht schon jetzt ein gejagtes Wild sein.
*
Mythor trank mit den Männern, ließ sich von Sadagar zu Sileena führen, einem Mädchen mit großen schwarzen Augen und fast schwarzblauer Haut, und tat, als ob es nichts Schöneres auf der Welt gebe, als hier zu sitzen und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Doch nach jedem Zug lauschte er in sich hinein, nach jedem leidenschaftlichen Kuss stellte er sich selbst auf die Probe. Nur kurz setzte er all seine Willenskraft gegen den Einfluss der dämonischen Macht, und dann sah er, wie sich Risse in dem unwirklichen Bild zeigten, wie die Hütten zu verschwimmen begannen und die Bäume ihr Laub verloren.
Nur Sileena blieb. Mythor schätzte, dass der Gegner all seine Macht darauf verwandte, die Frauen und Mädchen wirklich erscheinen zu lassen. Dagegen kam auch er nicht mehr an, nachdem der magische Schutz
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