Insel der Traumpfade Roman
Aufstand hatte ihn jedoch gezwungen, eine Bestandsaufnahme seiner Lage zu machen. Es war sein sehnsüchtigster Wunsch, nach Irland zurückzukehren – und er würde daran festhalten bis zu dem Tag, an dem er sterben würde –, doch er hatte sich damit abgefunden, dass er nur dann freikommen würde, wenn er sich an die Regeln hielt und von seinen englischen Peinigern möglichst viel lernte. Nur dann könnte sein Traum Wirklichkeit werden. Es war eine bittere Erkenntnis für ihn, dass er sich so weit hatte einschüchtern lassen, aber sie verlieh ihm auch auf merkwürdige Art Kraft, denn nun hatte er ein Ziel vor Augen.
Niall wurde am Tag nach seinem sechzehnten Geburtstag freigelassen. Mit seiner Freilassungsurkunde in der Tasche und seinen Schmiedewerkzeugen auf dem Rücken brach er nach Parramatta auf. Er hatte gehört, dass es in der Gegend viele Farmen gab, und da er seine Fertigkeiten in der Schmiede des Gefängnisses vervollkommnet hatte, konnte er sich seinen Lebensunterhalt auf ehrliche Weise verdienen und den Kopf stolz erhoben halten. Dass er sich für Parramatta entschied, hatte allerdings in Wirklichkeit einen viel tieferen Grund – es hing mit der Erinnerung an ein Mädchen mit roten Haaren zusammen.
Er hatte nicht lange gebraucht, um zu finden, worauf er gehofft hatte. Der Besitzer der Schmiede war vor einigen Monaten gestorben, und das Gebäude verfiel. Dennoch hatte Niall gesehen, dassman aus der von Ratten heimgesuchten, halb zerfallenen Schmiede etwas machen konnte, und mit einem ordentlichen Batzen des Geldes, das er durch den Verkauf seiner mit der Freilassung erhaltenen Landzuweisung erworben hatte, handelte er einen fairen Preis mit der Witwe des Hufschmieds aus. Obwohl er noch jung war, entstand sogleich eine Nachfrage nach seinen Diensten, und er hatte viele Wochen lang bis in die Nacht hinein gearbeitet, um das Dach zu reparieren, die Stützbalken zu verstärken und die Haufen Schrott zu sortieren, die der frühere Besitzer angehäuft hatte. Nun, zehn Monate später, war alles sauber und ordentlich, die Ratten waren verbannt, und Kunden gab es genug. Zeit, auf Brautschau zu gehen.
An jenem Morgen war er früher als sonst aufgestanden. Während es langsam dämmerte, wusch er sich und bereitete sich mit aller Sorgfalt auf den Tag vor. Seine Sachen waren geflickt und verschlissen, aber sauber. Auch wenn seine Stiefel ihre besten Tage schon hinter sich hatten, so hatte er am Abend zuvor doch einige Zeit damit verbracht, sie ordentlich zu polieren. Der erste Eindruck war immer wichtig, also musste er etwas hermachen.
Er nahm die Lederschürze und den Leinenbeutel mit Werkzeugen, trug sie hinaus und legte sie in den Karren neben die Hufeisen, Nägel, Scharniere und Riegel. Schon wenige Tage nach Einrichten der Schmiede hatte er festgestellt, dass Farmer solche Sachen oft benötigten, und er sorgte immer dafür, dass er einen guten Vorrat zur Hand hatte.
Er versuchte seine Aufregung zu zügeln. Sein letzter Besuch auf Moonrakers war am Abend des Aufstands gewesen, und er fragte sich, ob sie sich daran erinnern und ihn fortschicken würden. Sein Bedürfnis, das Mädchen zu sehen, war jedoch unwiderstehlich. Er musste es einfach versuchen.
Als er auf den Karren stieg und die Zügel aufnahm, schaute er auf die kleine Holzhütte, die er neben der Schmiede gebaut hatte. Die Wände bestanden aus Brettern, das Dach aus Baumrinde. Mit Sackleinen vor Tür und Fenstern, dem hässlichen Ofenrohr, das ander Seite herausragte, und dem Regenfass daneben war es nicht gerade das reizvollste Wohngebäude, aber es war ein Zuhause. Der Raum war im Winter warm, das einfache Bett einigermaßen bequem und der alte Lehnstuhl, den er von einem Farmer geschenkt bekommen hatte, nach einem langen Arbeitstag genau das Richtige.
Stolz überflutete ihn, als er sein winziges Königreich betrachtete. »So stellt sich vielleicht nicht jeder den Himmel vor«, murmelte er vor sich hin, »aber es gehört auf jeden Fall mir.« Freudestrahlend klatschte er mit den Zügeln auf den breiten Rücken des Pferdes, und der Wagen holperte über die unbefestigte Straße auf Moonrakers zu.
Der Wagen überquerte die Brücke, bog in den Hof ein und hielt vor der Treppe des Hauses. Niall sah, dass er beobachtet wurde. Er zog kurz an seinem Hut, stieg ab und ging auf die Frau zu, die auf der Veranda stand, die Arme in die Seite gestemmt. Es war Mrs Nell Penhalligan, das wusste er, denn er hatte in Parramatta Erkundigungen über die Familie
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