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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Tochter auf dem nächsten Schiff nach Port Jackson zurückkehren zu dürfen. Ross hatte den Antrag genehmigt. Zuvor hatte er Wright zu dreimaligem Spießrutenlaufen verurteilt: einmal in Sydney Town, dann in Queensborough und dann noch einmal in Port Jackson. Der erste Teil der Strafe wurde an dem Tag vollzogen, an dem Major Ross erkrankte. Mit nacktem Oberkörper wurde Wright zwischen zwei Reihen von Menschen hindurchgetrieben, die alle sein Blut sehen wollten und mit Äxten, Hacken, Knüppeln und Peitschen bewaffnet waren.
    Die Vergewaltigung des Kindes hatte auch bei vielen Sträflingen das Ansehen der Seesoldaten zerstört. Die Einwohner von Norfolk Island ärgerten sich allerdings genauso über die immer auffälligere Neigung von Gouverneur Phillip, Problemfälle auf ihre Insel abzuschieben.
    Ross hat Recht, dachte Richard. Wenn er stirbt, gibt es Krieg.
    Doch Ross war zäh, und er starb nicht. Eine Woche lang hing sein Leben an einem seidenen Faden. In dieser Zeit gingen Richard, Stephen und ihre Männer regelmäßig auf Streife. Dann ließen Ross’ Schmerzen nach. Doktor Callam wusste nicht zu sagen, ob der Major den Stein ausgeschieden hatte oder ob er in die Niere zurückgewandert war. Die Schmerzen hörten nicht schlagartig auf, sie verschwanden nach und nach. Zwei Wochen nach dem ersten Anfall konnte Ross wieder die Treppe hinuntergehen, nach einer weiteren Woche war er wieder ganz der Alte - energisch, schlecht gelaunt und bissig, wie ihn alle kannten und entweder liebten oder fürchteten.
     
    Die Waagschale neigte sich weiter zu Gunsten des Neusüdwales-Korps, als Mitte August 1791 die Mary Ann eintraf, das erste Schiff seit der Supply im April und der erste Häftlingstransport seit einem Jahr. Mit der Mary Ann kamen elf Soldaten des Neusüdwales-Korps mit drei Frauen und neun Kindern und 133 Häftlinge, darunter 131 Männer, eine Frau und ein Kind. Die Inselbevölkerung wuchs damit auf 875 an. Die Mary Ann hätte zur Versorgung ihrer Passagiere auf der Insel auch gleich noch Vorräte für neun Monate mitbringen sollen, aber wie üblich hatte man sich in der Berechnung des Bedarfs der Neuankömmlinge grob vertan. Die Lieferung reichte höchstens für fünf Monate.
    Unter den Sträflingen waren 32 Unbelehrbare, die Gouverneur Phillip schon lange Kopfzerbrechen bereitet hatten, und 99 kranke, halb verhungerte Jammergestalten. Sie kamen direkt von der Matilda , einem Schiff, das kurz zuvor in Port Jackson eingetroffen war. Die Matilda und die Mary Ann waren die ersten von zehn Schiffen, die England Ende März verlassen hatten. Die Matilda hatte unterwegs keinen einzigen Hafen angelaufen und für die Reise nur vier Monate und fünf Tage gebraucht, die Mary Ann war nur wenig langsamer gewesen. Die schnelle Fahrt hatte den Häftlingen auf den Schiffen das Leben gerettet, denn die Schiffe waren von denselben Sklavenhändlern ausgerüstet worden wie bisher. Nur die Gorgon , ein Versorgungsschiff, würde wegen eines längeren Zwischenaufenthalts in Kapstadt später eintreffen. Sie
sollte in Kapstadt so viele Tiere wie möglich an Bord nehmen. Leider war auch der größte Teil der Post und der Pakete an Bord der Gorgon . Die Bewohner von Norfolk Island machten sich also seufzend darauf gefasst, noch ein paar Monate auf Nachrichten aus dem Rest der Welt warten zu müssen. Zu ihrer Enttäuschung trug auch Mark Monroe bei, der Kapitän der Mary Ann . Er wusste überhaupt nichts vom aktuellen Weltgeschehen, und von ihm war deshalb auch nichts Neues zu erfahren.
    Doch ließ er am Strand einen Stand aufbauen, an dem Waren verkauft wurden, die das Schiff mitgebracht hatte.
    »Stephen«, sagte Richard bei einem Besuch des Freundes in dessen Haus, »ich komme heute auf ein Versprechen zurück, das du mir einmal gegeben hast. Kannst du mir etwas Geld leihen? Ich gebe dir dafür Schuldscheine plus Zinsen.«
    »Ich leihe dir gerne was, aber ich warte auf die Rückzahlung, bis du mir Geld geben kannst«, sagte Stephen. »Wie viel brauchst du?«
    »Zwanzig Pfund.«
    »Kleinigkeit!«
    »Sicher?«
    »Ich habe wie du ein großes Guthaben beim Staat. Inzwischen müssten es zweihundert bis dreihundert Pfund sein. Meine Bedürfnisse sind einfach und im Allgemeinen nicht durch Geld oder Schuldscheine zu befriedigen. Aber du hast für deine Frau und Familie zu sorgen, von deinem neuen, zweistöckigen Haus ganz zu schweigen.« Stephen schloss die Läden und trat zu einem an der Wand aufgehängten Haifischrachen, den er von der

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